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Meteomodelle besser verstehen

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Wettermodelle werden immer besser. Wer freilich wissen will, ob und wann er den Ergebnissen vertrauen kann, sollte sich mit den Grenzen der Modelle auskennen. Eine Anleitung.

Wettermodelle berechnen die Veränderungen der Atmosphäre in einem
dreidimensionalen Raster. Das feinere Raster liefert dabei nicht immer
die besseren Ergebnisse.
Viele Wetterkarten und -grafiken, die im Fernsehen wie im Internet auf allen möglichen Kanälen zu sehen sind, sehen blendend aus – und sind es im Wortsinne auch. Denn sie gaukeln dem Zuschauer vor, die Modelle könnten das Geschehen in der Atmosphäre bis in feine Details hinein erfassen. Tatsächlich ist das noch lange nicht so und wird wahrscheinlich auch nie so sein. Denn das Wetter ist und bleibt ein Prozess, der vom Chaos regiert wird. Die Kunst der Modellierung besteht darin, so gut es geht die ordnenden Kräfte im Chaos mit Formeln zu erfassen und die prägenden Muster darin zu erkennen.

Welches Wettermodell ist dabei das Beste? Diese Frage stellen sich viele Piloten. Jeder hätte natürlich gerne die simpelste Lösung: Man schaut nur auf eine bestimmte Internetseite und ist immer ideal bedient. Doch so einfach ist das nicht. Je nachdem, was genau ich über das Wetter der Zukunft erfahren will, können ganz unterschiedliche Modelle für einen Ort und für einen bestimmten Zeitpunkt die jeweils beste, das heißt zutreffendste Antwort liefern.

Das hängt damit zusammen, wie diese Modelle funktionieren, woher sie ihre Grunddaten bekommen und wie genau sie die reale Umwelt abzubilden in der Lage sind. Eine kleine Überraschung sei schon vorweg verraten: Das rechnerisch betrachtet "genauere" Modell ist nicht in jedem Fall das bessere! Aber dazu später mehr. Schauen wir erst einmal, wie so ein Wettermodell grundsätzlich funktioniert.


Feiner ist nicht immer treffender

Wettermodelle erfassen nicht die ganze Atmosphäre
sondern nur punktuelle Stichproben in einem
dreidimensionalen Gitterraster.
// Quelle: Meteoblue.com
Um die Atmosphäre überhaupt modellhaft erfassen zu können, wird sie im Computer nur stichprobenartig abgebildet. Die Stichproben werden nach einem bestimmten Raster verteilt. Man muss sich das vorstellen wie ein Netz aus in der Regel rechteckigen Maschen, das den gesamten Globus ähnlich einem Gitter aus Längen- und Breitengraden überspannt. Weil sich das Wetter in drei Dimensionen abspielt, erstreckt sich das Netz vom Boden aus auch in vielen weiteren Schichten in die Höhe – bis an den äußeren Rand der Atmosphäre. Jeder Knoten- oder Gitterpunkt dieses 3D-Netzes stellt eine Stichprobe bzw. einen Modellrechenpunkt dar.

Wie dicht dieses Raster gesetzt ist – sowohl horizontal wie auch vertikal – ist eines der zentralen Unterscheidungsmerkmale von Wettermodellen. Ein kleineres Raster bedeutet mehr Punkte, die berechnet werden müssen. Die dafür erforderliche Rechenleistung steigt exponentiell mit der Punktedichte an. Globale Wettermodelle, die die gesamte Erde umfassen, rechnen typischerweise mit einer geringeren Auflösung als solche, die nur einzelne Regionen oder Kontinente abbilden.

Erdumspannende Wettermodelle wie GFS, ECMWF oder Icon (siehe unten: Die wichtigsten Wettermodelle) besitzen heute typische Rasterweiten zwischen 13 und 40 Kilometer. Bei den eingegrenzten, lokaleren Modellen sind Raster von zwei bis zwölf Kilometer üblich. Einzelne Wetterdienste arbeiten sogar mit Modellen mit nur noch einem Kilometer Maschenweite. Aber wie schon oben gesagt: feiner ist nicht grundsätzlich besser.


Schnappschüsse der Atmosphäre
Je feiner das Modellraster, desto genauer wird im Wettermodell
auch die Topografie des Geländes erfasst. Der Vergleich zeigt
die Sichtweise des GFS-Modells mit 40 und mit 13 km Raster.
// Quelle: ilmeteo.it
Vor dem Start eines Modelllaufes werden die Computer mit aktuellen Wetterdaten gefüttert. Jede Masche des Modellgitters bekommt Werte für Temperatur, Luftdruck, Wassergehalt etc. zugewiesen. Diese sogenannte Datenassimilation ist nicht einfach. Nur in den seltensten Fällen befindet sich genau an einem Rasterpunkt auch eine passende Wetterstation. Also müssen die Werte von Stationen in der Umgebung übernommen, möglicherweise interpoliert und auch korrigiert werden (z.B. Umrechnung auf Meereshöhe). Die Daten für die höheren Luftschichten stammen wiederum von Messungen mit Wetterballons, von Verkehrsflugzeugen und vor allem aus Satellitenmessungen. Viele der erforderlichen Parameter lassen sich per Fernerkundung aus dem All freilich nur näherungsweise bestimmen. Entsprechend groß können die Ungenauigkeiten sein.

In jedem Modell gibt es unzählige komplizierte Gleichungen, welche die Abhängigkeiten einzelner Variablen wie Temperatur, Feuchte, Sonneneinstrahlung etc. für jeden einzelnen Gitterpunkt beschreiben. Der Computer löst diese Gleichungen in Zeitschritten von typischerweise zwei Minuten oder weniger. So fertigt er pro Vorhersagetag 720 dreidimensionale „Schnappschüsse“ des Zustandes unserer Atmosphäre an. Die klassischen Wetter-, Wind-, Druck-, Temperatur- oder Feuchtekarten, die wir dann am Ende im Internet zu sehen bekommen, stellen jeweils einen Ausschnitt dieser Ergebnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt dar.

Wie genau die Wettermodelle die reale Wetterentwicklung vorhersagen können, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Das fängt schon damit an, was man unter „genau“ versteht – das heißt welchen Maßstab man an das Wettermodell überhaupt anlegt. Muss die Prognose von Temperatur, Sonnenscheindauer oder Windstärke punktgenau für einen spezifischen Ort zutreffen, oder soll sie nur den ungefähren regionalen Charakter des Wetters erfassen, um die Qualität eines Flugtages abschätzen zu können? Die gröberen, globalen Modelle können zwangsläufig nur letzteres liefern. Die feineren Modelle sind für differenziertere Punktprognosen geeignet.


Wenn das Chaos regiert

Ein Meteogramme für den Patscherkofel
auf Basis des Super-HD-Modells (1 km)
von kachelmannwetter.de. Den Werten sollte man
nur für die ersten 12 Stunden vertrauen und
sie danach mit zunehmender Vorsicht genießen.
// Quelle: kachelmannwetter.de
Wichtig ist hierbei zu verstehen, warum die Modelle mit einem feineren Raster dennoch mit Blick auf Flugwetterprognosen nicht zwangsläufig die besseren Ergebnisse liefern. Das hat zum einen mit der Datenassimilation und zum anderen mit den Regeln des Chaos zu tun.

Zur Erinnerung: Datenassimilation ist der Prozess, mit dem alle Rasterpunkte eines Modells mit den nötigen Ausgangsdaten versorgt werden. Wollte man ein Modell mit einem 2-km-Raster perfekt mit Daten ausstatten, bräuchte man gewissermaßen alle zwei Kilometer eine Wetterstation. Das ist in der Praxis aber nirgendwo zu finden. Also müssen viele der Daten zwangsläufig als gemittelte, interpolierte oder indirekt abgeleitete Schätzwerte eingespeist werden. Dabei kann es zu vielen kleinen Fehlern kommen.

Bei der eigentlichen Modellberechnung kommen dann die Charakterzüge des Chaos zum Vorschein. Anfangs kleine Fehler können sich mit der Zeit potenzieren. Und da ein feines Modell von Anfang an in der Summe viel mehr kleine Fehler enthält als ein grobes, können sich diese Abweichungen gegenseitig regelrecht aufschaukeln. Anders gesagt: Lokalmodelle mit einem engen Raster laufen deutlich schneller aus dem Ruder als die gröberen Globalmodelle.

In der Praxis hat sich folgende Daumenregel bewährt: Auf die Ergebnisse von Lokalmodellen mit einem Raster unter fünf Kilometer kann man typischerweise für die nächsten zwölf, maximal 24 Stunden vertrauen. Bis 48 Stunden sind auch noch Modelle mit zehn Kilometer Raster halbwegs zutreffend. Spätestens ab dem dritten Tag und darüber hinaus liefern die Globalmodelle mit mehr als zehn Kilometer Maschenweite in der Regel die vertrauenswürdigeren Resultate – natürlich mit der Einschränkung, dass auch bei diesen die Vorhersagequalität mit jedem weiteren Tag in die Zukunft stetig abnimmt.

Bei Flugwetterprognosen für Gleitschirmflieger bringen die feineren Modelle übrigens auch für den jeweils aktuellen Tag nur einen geringen Mehrwert. Die thermische Qualität eines Tages oder die überregionalen Windströmungen, deren Richtung und Stärke man für die eigene Flugplanung kennen sollte, lassen sich heute auch aus Globalmodellen hinreichend genau ablesen.


Lokale Winde im Modell
Detaillierte Lokalwindprognose des RASP-Modells von Meteovolo.it.
Trotz starkem Nordwind stellt das Modell das Seewindsystem
im Windschatten der Sierra Nevada bei Almeria korrekt dar.
// Quelle: meteovolo.it
Vorteile zeigen die Feinmodelle im Grunde nur in zwei Bereichen: Zum einen gilt, dass sie die Geländestrukturen wie Täler und Höhenzüge viel genauer abbilden. Deshalb können sie deren Einfluss auf die bodennahen Winde viel besser erfassen. Talwinde in den Alpen werden davon zwar immer noch nicht voll zufriedenstellend abgebildet. Doch bei Windprognosen im Flachland und den Mittelgebirgen erweisen sie sich als gute Helfer, um typische lokale Abweichungen und Besonderheiten zu erfassen. Dies gilt allerdings nur für die nächsten 24 Stunden.

Der zweite Fall, bei dem die Feinmodelle deutlich besser abschneiden, ist in den Grenzbereichen sehr unterschiedlicher Landschaftselemente. Ein Beispiel sind Küstengebiete, wo zwischen Wasser und Landmassen Seewindsysteme herrschen. Globalmodelle sind zu grob, um solche lokalen Phänomene halbwegs realistisch zu erfassen. Die Feinmodelle können hingegen Anhaltspunkte liefern, wo an Küsten geflogen werden kann, auch wenn der überregionale Wind eigentlich "von hinten" weht.

Ein Problem in der Praxis ist: Wie kommt man überhaupt an diese fein gerechneten Daten heran? Auf klassischen Meteokarten im Internet, die beispielsweise ganz Deutschland darstellen, werden die Windpfeile typischerweise in einem räumlichen Abstand von 0.5° oder 0.25° angezeigt. Das entspricht 50 bzw. 25 Kilometer – ist also viel zu grob, um lokale Windsysteme darauf erkennen zu können. Es gibt aber löbliche Ausnahmen.

Meteo-Parapente.com zeigt die sehr fein aufgelösten Windprognosen
des französischen Modells Arome. Auch Feinheiten wie die
lokale Windstille im engen Rheintal werden erfasst.
// Quelle: meteo-parapente.com
Ein Beispiel ist die Flugwetterseite www.Meteo-Parapente.com. Dort lässt sich das französische Wettermodell Arome anwählen, das mit einem 2-km-Raster rechnet und mit einer sehr guten Datenassimilation arbeitet. In die Wetterkarten mit der Winddarstellung lässt sich regional sehr weit hineinzoomen. So werden auch lokale Windablenkungen etwa rund um das Rheintal sehr gut erfasst. Für die deutschen Mittelgebirge gehören die Arome-Windprognosen derzeit zum Besten, was man im Netz finden kann. Ähnlich gute zoombare Winddarstellungen gibt es auch bei www.Meteovolo.it (ist für die feineren Zoomstufen allerdings kostenpflichtig).

Ein anderer Tipp ist Kachelmannwetter.de. Die Seite liefert seit wenigen Monaten sogar Windwerte eines Super-HD-Wettermodells mit nur 1-km-Maschenweite. Klassische oder zoombare Windkarten gibt es für das Super-HD-Modell zwar nicht, man kann aber nach Orten oder auch bekannten Berggipfeln (z.B. Hohe Salve, Patscherkofel o.ä.) suchen und sich dafür ein Meteogramm anzeigen lassen (ein Beispiel dazu ist weiter oben dargestellt). Darin sind stündliche Windfähnchen enthalten, die häufig erstaunlich gut die lokalen Geländeeinflüsse berücksichtigen. Da das Modell noch relativ neu ist, fehlen allerdings ausreichende Erfahrungswerte, um es eindeutig empfehlen zu können. Eins ist aber jetzt schon klar: Auch wenn diese Super-HD-Meteogramme von Kachelmann 2,5 Tage umfassen, sollte man sie am besten nur für die ersten zwölf angezeigten Stunden ernsthaft zu Rate ziehen, z.B. bei der letzten morgendlichen Meteo-Analyse, bevor man ins Gelände fährt.


Die wichtigsten Wettermodelle

GFS: Das Global Forecasting System der US-Wetterbehörde NOAA rechnet als Globalmodell bis zu 384 Stunden voraus. Alle Daten sind frei verfügbar, weshalb man von diesem Modell die umfangreichsten Wetterinfos im Netz findet. Seiten wie z.B. www.windytv.com basieren auf GFS.

ECMWF: Das europäische Pendant zu GFS gilt in der Mittelfristprognose (3-10 Tage) aktuell als das beste Globalmodell. Allerdings sind nur eingeschränkte Datensätze frei im Internet verfügbar. Eine mögliche Quelle: www.wetter24.de/profi/ecmwf

ICON: Das Globalmodell des Deutschen Wetterdienstes. Darin eingebettet gibt es nach dem gleichen Rechenmuster ein Regionalmodell mit 7-km-Raster (intern auch Cosmo-EU genannt), das ganz Deutschland und den Alpenraum abdeckt. Karten hierzu z.B. auf www1.wetter3.de/icon025.html

NEMS: Hauptmodell der Regionalvorhersagen und Meteogramme, die auf der beliebten Wetterseite www.meteoblue.ch zu finden sind. Es wird in unterschiedlichen Rastern gerechnet (Europa mit 3 bzw. 12 km). Die NEMS-Daten für Europa werden auch auf www.windytv.com visualisiert.

RASP: Thermikprognosemodelle vom Typ RASP greifen alle auf Eingangsdaten von GFS zurück und rechnen diese dann fein. Die Auflösungen reichen hinab bis zu 2,5 km. Besonders differenzierte Lokalwinddarstellungen gibt es bei www.meteo-parapente.com und www.meteovolo.it

Arome: Das Lokalmodell des französischen Wetterdienstes mit nur 2-km-Raster besticht durch eine sehr gute Datenassimilation (viele Wetterstationen). Das ermöglicht besonders genaue Bodenwindprognosen (bis 24h). Zoombare Meteokarten hierzu auf www.meteo-parapente.com

Kachelmann-Super-HD: Das feine Modell von www.Kachelmannwetter.de rechnet mit 1x1 km Raster. Interessant sind dabei vor allem die punktgenauen Meteogramme, die man nicht nur für Ortschaften, sondern beispielsweise auch für markante Berge in den Alpen abrufen kann.


Hinweis: Wem dieser Beitrag bekannt vorkam, muss sich nicht wundern. Der Text ist in ähnlicher Fassung bereits im DHV-Info 199 erschienen. Wem die Lektüre so oder so etwas gebracht hat, kann Lu-Glidz gerne als Förderer unterstützen.

Roldanillo in Gefahr?

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Die Bevölkerung von Roldanillo in Kolumbien hat gegen Pläne für den Bau einer Hochspannungsleitung protestiert, die das Aus für das Gleitschirmfliegen vor Ort bedeuten könnte. 

Die Gemeinde stellt sich gegen das Projekt - so heißt es in einem
TV-Bericht von Noticias Caracol. Bürger von Roldanillo
protestierten gegen eine geplante Hochspannungstrasse, welche
das Aus für das Gleitschirmfliegen vor Ort darstellen könnte.
// Quelle: Noticias Caracol - Screenshot
Roldanillo ist das weltweit bekannteste Fluggebiet in Kolumbien. Dort haben schon Weltmeisterschaften und PWC-Events stattgefunden. Der Gleitschirmtourismus ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für die Bevölkerung vor Ort geworden. Doch diese Einnahmequelle könnte in Zukunft versiegen. Denn es gibt Pläne des Stromversorgers Energía de Bogotá, eine neue Hochspannungsleitung durch das Valle de Cauca zu ziehen. Im Gespräch ist offenbar ein Trassenverlauf, der genau über jene Hänge führen soll, an denen der Startplatz von Roldanillo liegt.

Am Sonntag fand deshalb ein Protestmarsch in Roldanillo statt. Zahlreiche Piloten, aber auch der Bürgermeister und viele Bewohner des Ortes schlossen sich der Demonstration an. Ziel war es nicht, sich grundsätzlich gegen den Bau der Stromtrasse zu stellen, denn sie wird auch als Zeichen für den Fortschritt des Landes gesehen. Die Demonstranten appellierten aber an den Stromkonzern und die nationale Politik, die Hochspannungsleitung an anderer Stelle zu planen, entweder mitten durchs Tal, an der Rückseite der Flugberge oder über den Hängen der Cordillera Central im Osten, also auf der dem Startplatz gegenüberliegenden Seite des Tales von Cauca.

In Kolumbien berichteten verschiedene Medien über die Proteste, darunter Noticias Caracol. Ein Bericht zitiert Aussagen eines Sprechers von Energía de Bogotá, wonach der genaue Trassenverlauf noch nicht festgelegt worden sei.

Ob freilich die  Proteste einer kleinen Gemeinde und ein paar Hundert Gleitschirmflieger ausreichen, um ein Großprojekt der nationalen Energieversorgung Kolumbiens auf neue Wege zu führen, muss sich erst noch zeigen.

Landung mit teurem Großaufgebot

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Auch nach einer sicheren Landung in unwegsamen Gebiet oder nach einem glimpflich verlaufenen Retterabstieg kann es sinnvoll sein, die Rettungskräfte zu informieren. 

Nach einer glimpflichen Baumlandung wird der Schirm mit Hilfe
anderer Piloten geborgen. Ein ferner Beobachter könnte freilich
schon die Rettungsketten alarmiert haben. Eine frühzeitiger Anruf
bei der Rettungsleitstelle zur Entwarnung kann viel
Aufwand, Geld und Ärger ersparen.
Folgenden wichtigen Hinweis gibt der DHV in seinem aktuellen Monatsnewsletter für Vereine:

"Immer wieder kommt es vor, dass nach für Piloten folgenlosen Notlandungen Rettungsketten in Gang gesetzt werden, die zum einen eine Menge Geld kosten und zum anderen die Akzeptanz unseres Sportes gerade bei ehrenamtlichen Helfern (THW, Feuerwehr, Notärzte) stark beeinträchtigen.

Deshalb folgende Bitte an alle Piloten: Es können euch Landungen passieren, die keine Hilfe erfordern, sei es im harmlosesten Fall nur in dafür nicht üblichem Gelände oder sei es im schlimmeren Fall zum Beispiel mit dem Rettungsschirm. Wenn diese Landungen von sportfremden Beobachtern als Unfall interpretiert werden können, ruft bei der Rettungsleitstelle (einheitliche europäische Notrufnummer 112) an und erklärt eure Situation. Dadurch werden überflüssige Rettungseinsätze verhindert, die Rettungskräfte sind für diese Information dankbar und im echten Notfall nicht durch viele Fehlalarme demotiviert.

Falls ihr allerdings Hilfe benötigt, wie beispielsweise nach einer Baumlandung, oder wenn ihr euch in einer unklaren Gefahrensituation befindet, dann gilt immer – kompetente Hilfe anfordern, egal ob für einen selbst oder für andere."

"Die Safety Class trägt überhaupt nicht zur Sicherheit bei"

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Guido Reusch spricht im Interview mit Lu-Glidz ausführlich über seine Pläne als neuer PMA-Sekretär, eine Gleitschirmwelt ohne EN-Klassen und die Kritik an den Safety Tests des DHV.
Guido Reusch ist Sekretär der PMA, Geschäftsführer der EAPR GmbH und Kritiker der Safety Class Tests.


Seit dem 1. Oktober ist Guido Reusch neuer Sekretär der Herstellervereinigung PMA. Dafür hat er sogar die Leitung der von ihm aufgebauten Musterprüfstelle EAPR abgegeben. Die Hersteller hegen die Hoffnung, dass Reusch als starke Stimme, anerkannter Techniker und gewiefter politischer Taktiker der PMA mehr Anerkennung bei den Piloten und den nationalen Verbänden verschaffen könnte. Unter anderem geht es darum, mit dem DHV über die Form der Safety Class Tests und die weitere Entwicklung der allgemeinen Musterprüfungen ins Gespräch zu kommen. Guido Reusch hat hierzu einiges zu sagen, weshalb das folgende Interview auch etwas umfangreicher ausgefallen ist. Doch die Lektüre lohnt, will man einen Eindruck davon gewinnen, welche Diskussionen die Gleitschirmszene in Zukunft bewegen könnten.


Wie kam es dazu, dass Du als PMA Sekretär kandidiert hast, wo Du doch mit der EAPR deine eigene Prüfstelle hast und nun für den neuen Job zumindest deren Leitung aufgeben musst?
Guido Reusch: Ich bin jemand, der immer neue Herausforderungen sucht. Die Prüfstelle läuft gut. Aber das sind viele eingefahrene Wege, gerade durch die Akkreditierung. Ich hatte auch keine Lust mehr, nach zehn Jahren immer noch die gleichen Handbücher zu lesen wie vor zehn Jahren. Das füllt mich einfach nicht aus.

Steht denn die Arbeit für die PMA und damit im direkten Auftrag der Hersteller nicht im Widerspruch zu Deiner Arbeit für die EAPR?
Guido Reusch: Nein, das sind ja zeitlich und rechtlich getrennte Sachen. Ich bin zwar weiterhin auch Geschäftsführer der EAPR GmbH. Aber für die Prüfstelle als solche bin ich nicht mehr zeichnungsberechtigt. Da führe ich als Operator nur noch die Lasttests und Protektortests durch, das heißt, ich bediene die Anlage nur noch. Die Ergebnisse werden dann vom zeichnungsberechtigten Musterprüfer gewertet und verantwortet. Deshalb sehe ich hier gar kein Problem, von der einen Funktion in die andere Funktion zu wechseln.

Wer ist denn jetzt offiziell der zeichnungsberechtigte Leiter der Musterprüfstelle?
Guido Reusch: Das macht der Pascal Purin. Und mit ihm läuft es viel besser als mit mir (lacht). Meine Testpiloten haben immer gesagt: Hey, Du musst mal netter sein zu den Herstellern, Du bist immer so grantig. Ich habe dann gesagt: Das ist halt so meine Art, ich kann nicht anders. Aber mit dem Pascal, der jetzt als Leiter den Kontakt zu den Herstellern hält, haben wir einen, der kann auch nett. Von daher läuft es viel besser.

Nun bist Du Sekretär der PMA und hältst dort organisatorisch die Fäden zusammen. Was hat dich an dieser Aufgabe besonders gereizt?
Guido Reusch: Ich halte so eine Interessensvertretung der Hersteller für dringend notwendig. Ich kenne auch noch die Zeit, bevor die PMA gegründet wurde. Da wurden viele Regeln in diesem Sport noch sehr einseitig bestimmt, vor allem vom DHV. Das ist nicht immer gut. Erst durch den Einsatz der PMA und der EAPR wurde zum Beispiel die ärgerliche Trennung zwischen LTF in Deutschland und EN in anderen Ländern komplett aufgehoben. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren einen Niedergang der PMA durch den Austritt einiger Hersteller. Das hat mich beschäftigt. Einige meiner Kunden, Freunde und Kollegen haben gesagt: Mensch, wir sind jetzt dabei die PMA aufzugeben. Da habe ich gesagt: Das reizt mich. Es reizt mich, den Karren wieder ans Laufen zu bringen.

Bei welchen Hauptthemen glaubst Du der PMA besonders hilfreich sein zu können?
Guido Reusch: Vor allem geht es mir darum, das Bild der Hersteller in ein richtiges Licht zu rücken. Viele Piloten stellen die Hersteller in eine kommerzielle Schmuddelecke, als ginge es den Herstellern nur um den Gewinn. Die Hersteller kümmern sich aber auch extrem viel um Sicherheit. Da sind täglich 50 Testpiloten, Designer und Konstrukteure unterwegs, um Schirme zu gestalten, die Spaß machen, die aber auf der anderen Seite auch niemanden übermäßig gefährden. Das gilt es verstärkt zu kommunizieren.

Wie willst Du das Ansehen der PMA bei den Piloten zu verbessern?
Guido Reusch: Wir wollen näher an die Piloten heranrücken, indem wir als PMA mehr allgemeine und wichtige Informationen bereitstellen. Es ist zum Beispiel geplant, auf der PMA-Homepage eine Zulassungsdatenbank einzurichten. Dort werden Hersteller zentral ihre Geräte melden und die Prüfberichte einstellen, sodass ein Pilot nicht mehr bei drei Prüfstellen nachschauen muss, ob ein Schirm mustergeprüft ist. Ein zweites Projekt ist, auch alle Sicherheitsmitteilungen der Hersteller zentral zu verwalten, damit die Piloten weltweit an einer Stelle darauf zugreifen können.

Die PMA hat aktuell nur zehn Mitglieder, einige große Marken fehlen. Glaubst Du in Zukunft die ganze Branche mit ins Boot holen zu können?
Guido Reusch: Ich denke schon. In der Vergangenheit war ein gewisser Frust bei den Herstellern da – auch durch die inneren Strukturen der PMA, die eben nicht so gefeilt waren, wie sich das viele vorgestellt haben. Aber jetzt kommen manche Hersteller zurück. Ich kann zwar noch keine Namen nennen. Aber die Anzahl der Interessenten ist schon deutlich höher, als sie noch vor einigen Monaten war. Einige sind immer noch ein bisschen skeptisch, sowohl der alten PMA als auch meiner neuen Position gegenüber. Auf der anderen Seite braucht es aber sicherlich einen starken Mann, um Änderungen herbei zu führen.

In jüngerer Zeit ist die PMA öffentlich vor allem durch den Streit mit dem DHV über die Safety Class Tests aufgetreten. Was genau passt den Herstellern an der Safety Class nicht?
Guido Reusch: Für die Hersteller ergibt sich durch die Safety Class die gleiche Situation wie vor 2007 mit der LTF. Es ist nicht eindeutig ersichtlich, wie der DHV zu seinen Einstufungen gelangt. Aus Sicht der Hersteller gibt es da ein gehöriges Maß an Willkür, sowohl was die Technik als auch was die Entscheidungsprozesse anbelangt.

Was meinst Du mit Willkür?
Guido Reusch: Es liegen Berichte vor, dass nicht nur die Prüfer die Entscheidungen treffen, in welche Safety-Klasse ein Schirm kommt, sondern auch politisch motivierte Leute beim DHV. Und das stößt immer sauer auf. Jeder kann mit einem Ergebnis umgehen, wenn er weiß, wie es zustande gekommen ist. Wenn man als Hersteller aber das Gefühl bekommt, nicht nachvollziehen zu können, was da passiert, da fühlt man sich natürlich benachteiligt.

Sollte die Safety Class in der bestehenden Form Deiner Meinung nach besser abgeschafft werden?
Guido Reusch: Ich persönlich bin ein Verfechter davon, derartige Kategorisierungen von Schirmen grundsätzlich abzuschaffen. Aus dem Mund eines ehemaligen Prüfstellenleiters hört sich das vielleicht merkwürdig an. Aber ich denke, dass solche Klasseneinteilungen in keiner Weise Sicherheit schaffen.

Das musst Du mir erklären.
Guido Reusch: Die Safety Class fördert bei den Piloten nur eine Hörigkeit in Buchstaben und Zahlen – á la: wenn ich einen Schirm mit SC-Note 2 fliege, dann bin ich total sicher unterwegs. Das stimmt aber definitiv nicht. Die Safety Class trägt überhaupt nicht zur Sicherheit bei, genauso wenig wie die EN-Musterprüfung. Beides sind keine brauchbare Messlatte dafür, welche Schirme in der Praxis sicherer oder unsicherer zu fliegen sind.

Was wäre die Alternative?
Guido Reusch: Man sollte eher die Leute über die Risiken aufklären, als auf dem Papier technische Pseudosicherheiten herbeizuzaubern.

Also weg mit den EN- und den Safety Class Tests? Wie könnten die Piloten dann etwas über den Sicherheitscharakter ihrer Schirme erfahren?
Guido Reusch: Ich sehe hier diejenigen stark in der Verantwortung, die das Gerät auch produzieren – also die Hersteller. Wenn die Klassifizierungen aufgehoben würden, müssten sich die Hersteller viel mehr Mühe geben, um einen Schirm auch richtig am Markt zu platzieren. Wenn dann ein Schirm übermäßig für Anfänger angeboten wird, aber eigentlich ein C-Schirm ist, dann wird das dem Hersteller schnell dermaßen auf die falsche Seite des Butterbrotes fallen, dass er das nie wieder tun würde. Dieses Risiko wird niemand eingehen wollen.

Warum machen das die Hersteller dann nicht heute schon?
Guido Reusch: Es mag lustig klingen, aber wenn wir über die Aufhebung von Klassifizierungen reden, dann bekommen wir den größten Widerstand aus den Marketingabteilungen der Hersteller. Die sagen nämlich: Oh, dann muss ich so viel schreiben. Jetzt kann ich sagen, das ist unser high-end B, und damit ist eigentlich schon die gesamte Charakterisierung des Schirmes abgeschlossen. Als bringe die Klassifizierung der Prüfstelle genügend zum Ausdruck, für welche Piloten ein Schirm geeignet ist.

Ist das denn nicht so?
Guido Reusch: Nun, das kann man so sehen. Aber Tests entsprechen nicht dem wahren Fliegerleben. Wenn unsere Testpiloten im Rahmen einer Musterprüfung Klapper ziehen, dann werden sie niemals überrascht. Die gehen über Wasser, beschleunigen die Karre volle Pulle, und dann ziehen einen 75-prozentigen Klapper, wissen aber auch, dass der kommt. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ein Pilot in freier Wildbahn von einem 50-prozentigen, unbeschleunigten Klapper völlig überrascht wird. Von daher halte ich diese Tests für nur sehr bedingt aussagefähig. Hinzu kommen auch noch vollkommen andere Randbedingungen.

Zum Beispiel?
Guido Reusch: Liegegurtzeuge. Die werden in den Flugtests nicht berücksichtigt. Dabei fliegt heute niemand mehr einen D-Schirm ohne Liegegurtzeug. Schon bei C-Schirmen sieht man fast nur Liegegurtzeuge. Darum halte ich diese Tests, so wichtig sie in der Vergangenheit waren, mittlerweile für weitgehend überflüssig.

Welche Art von Tests wäre denn noch notwendig?
Guido Reusch: Natürlich müssen Festigkeiten der Schirmkonstruktionen nachgewiesen werden. Auch ein paar grundsätzliche Flugtests müssten schon gemacht werden. Aber keine Klassifizierung in A, B, C, D, die nur eine Pseudosicherheit vermittelt.

Wäre es nicht sinnvoll, zumindest für Schulungsschirme bestimmte Standards vorzugeben?
Guido Reusch: Meiner Vorstellung nach gäbe es eine Einteilung der Schirme in drei Kategorien. Erst einmal der Gleitschirm an sich, für den müssten natürlich schon auch Limits vorgeschrieben werden. Da könnte man sagen: Das, was jetzt ein D-Schirm können muss, das muss in einer grundsätzlichen Prüfung jeder neue Schirm erfüllen. Daneben gäbe es als zweite Kategorie natürlich die Prüfung für die Schulschirme. Das ist eine spezielle Art von Fluggerät, das besondere Sicherheitsmerkmale aufweisen muss. Da würde ich persönlich sogar deutlich restriktiver rangehen, als es heute für die A-Klasse in der EN und LTF gefordert wird. Ich denke, dass es wirkliche "Schul"-Schirme geben müsste, und nicht leistungsbereinigte B-Geräte, die noch ein A bekommen –um es mal vorsichtig auszudrücken.

Und was wäre die dritte Klasse?
Guido Reusch: Das sind die Tandems. Dort hängen Passagiere drunter. Da geht es um Vertrauen. Auch Tandems sind meiner Meinung nach einer erweiterten Prüfung zu unterziehen.

Wenn man davon abgehen würde, die Sicherheit üblicher Gleitschirme nach Klassen zu bestimmen, dann rückten zwangsläufig die Piloten, deren Können und Selbsteinschätzung mehr in den Vordergrund. Hieltest Du es für sinnvoll, neue Pilotenscheinklassen einzuführen, vielleicht eine Art Stufen-Führerschein wie beim Motorradfahren?
Guido Reusch: Ich bin sowohl Taucher als auch Fallschirmspringer. In beiden Bereichen gibt es Ratings. Wenn man einen Tauchschein hat, darf man nicht gleich Strömungstauchen oder Wracktauchen gehen, denn da passieren die Unfälle. Genauso wenig darf man als Fallschirmspringer gleich einen Wingsuit fliegen oder eine Großformation. Das macht absolut Sinn. Ich verstehe nicht, dass beim Gleitschirm in puncto Sicherheit immer nur an der Technikschraube gedreht wird, ohne mal an der Schulungsschraube zu kurbeln. Oder besser gesagt: Ich verstehe es schon, aber es erscheint für mich nicht logisch.

Und warum wird nicht an der Schulungsschraube gedreht?
Guido Reusch: Der DHV ist ein Verband, der sich hauptsächlich über die Quantität seiner Mitglieder definiert und nicht über die Qualität. Denn die guten Piloten zahlen den gleichen Jahresbeitrag wie die schlechten. Wenn ich mich aus Mitgliederbeiträgen finanziere, dann habe ich jedes Jahr Erfolgsmeldungen abzuliefern: 36.000, 37.000, 38.000 Mitglieder. Wenn ich dann irgendwann dastehe und es heißt, es sind nur noch 33.000 – hoppla, da würde die Gemeinde aber groß schauen. Ich kann dann schlecht sagen: Aber die sind jetzt alle viel, viel besser. Da ist also der Druck gegeben, die Menge zu steigern. Und von daher kommt der Druck hin zu einer einfachen, günstigen, schnellen Ausbildung für die Massen. In dieser Struktur bleibt zwangsläufig die Qualität irgendwo am Boden.

Der DHV spielt damit aber doch den Herstellern in die Karten. Viele neue Mitglieder sind ja auch viele neue Kunden.
Guido Reusch: Ja, aber die müssten bleiben. Das ist das Problem dabei. Wenn 1000 Mitglieder im Jahr mehr dazukommen, dann ist das vordergründig ganz toll. Wenn man aber genauer hinschaut, so werden 6000 neue Scheine ausgestellt, aber zugleich haben 5000 Piloten auch aufgehört. Bei vielen geschieht das aus einer gewissen Unmündigkeit und aus Angst heraus. Die gehen mit der Haltung ran, mir kann ja nichts passieren, das ist ein Safety Class geprüfter Schirm. Aber dann kriegen sie mal einen ordentlichen Duscher, wenn sie unvorbereitet in irgendwas hineinfliegen oder mit dem langsamen A-Schirm in einen Leebereich hineingedrückt werden. Und dann kriegen sie Schiss und hören auf. Hier sollte sich der DHV besser mit den Herstellern zusammensetzen, um zu überlegen, wie man das gemeinsam ändern kann.

Siehst Du eine Möglichkeit, die Safety Class so zu reformieren, dass die Hersteller damit gut leben könnten?
Guido Reusch: Ich denke, dass wir diese Doppelklassifizierung – also EN plus Safety Class – grundsätzlich gar nicht brauchen. Wir sollten uns besser im Rahmen der EN mal darüber unterhalten, wie weit wir das Vorgehen der Safety Class in die Normung mit einbringen können.

Du meinst, die vom DHV bei den Safety Class Tests eingesetzte Messtechnik für Höhenverluste, Vorschießwinkel etc. sollte auch bei den EN-Prüfungen verwendet werden?
Guido Reusch: Es geht sogar um mehr. Im Grunde müssten wir uns über drei Punkte unterhalten. Als erstes die Loggertechnik. Die muss nicht nur da sein, sie muss auch validiert und kalibriert sein. Einfach nur zu glauben, dass die Technik funktioniert, ist ein bisschen dünn. Dieses Problem hatten wir bei der Protektoranlage des DHV ja auch schon mal. Der zweite Punkt ist: Ich halte es nicht für richtig, pro Schirmtyp nur eine Größe zu testen. Da sollten mehrere Größen ins Spiel kommen. Drittens stellt sich die Frage, wie die bei den Tests verwendeten Grenzwerte festgelegt werden. Bisher sind die ja nicht empirisch ermittelt worden. Dahinter steht eher ein Bauchgefühl zu sagen, ein B-Schirm darf nicht weiter als 60 Grad vorschießen. Da würde ich doch lieber den Weg gehen, dass solche Grenzen aus der Praxis heraus abgeleitet werden müssen.

Wie könnte so etwas geschehen?
Guido Reusch: Indem man sich zum Beispiel 30 aktuelle B-Schirme holt und untersucht, wie weit schießen die – mit der Loggertechnik gemessen – denn tatsächlich vor. Wenn dabei im Schnitt 58,5 Grad rauskommt, dann haben wir wenigstens mal den Status quo ermittelt, an dem man sich orientieren kann. Das ist dann ein Messwert und kein Bauchgefühl. Denn über Gefühle kann man sich bei Technik schlecht unterhalten.

Eine der Besonderheiten der Safety Class gegenüber der EN-Norm ist, dass auch der Höhenverlust nach Klappern für die Klassifizierung berücksichtigt wird. Hältst Du solche Werte für sicherheitsrelevant?
Guido Reusch: Ja, wenn es richtig gemacht wird. Für eine stichhaltige Kategorisierung der Schirme müsste man aber alle Messergebnisse auf die ICAO Standardatmosphäre umrechnen. Denn wenn ich einmal einen Klapper in 2000 Meter Höhe und einmal einen Klapper in 200 Meter Höhe ziehe, erhalte ich unterschiedliche Messergebnisse. In größerer Höhe habe ich immer einen größeren Höhenverlust. Um Messwerte vergleichen zu können, auch zwischen den Schirmen, muss ich natürlich die gleiche standardisierte Basis haben.

Die Flughöhe beeinflusst also die Ergebnisse der Safety Class Tests?
Guido Reusch: Natürlich. Höhenverlust ist eine tolle Sache, wenn man das genau bestimmen kann. Wir haben uns bei der EAPR intensiv damit beschäftigt. Unsere Versuche haben aber gezeigt, dass da eine enorme Variabilität drin steckt. Ich habe bei einem Prüfklapper ganz oben überm See mal 42 Meter, dann 40, dann 38, und unten kurz überm Wasser habe ich 36 Meter Höhenverlust. Da stellt sich die Frage: Welchen Wert nehme ich denn jetzt? Ich kann natürlich sagen: worst-case, also 42 Meter. Aber das ist ein falsches Verständnis von worst-case. Die Situation ist immer die gleiche, ich habe nur bei den Tests eine unterschiedliche Ausgangshöhe. Aber die kann darüber entscheiden, ob ein Schirm am Ende die Note 2 oder 3 in der Safety Class bekommt. Da gibt es große Probleme. Diese Sachen hat man beim DHV noch nicht zu Ende gedacht.

Macht denn der DHV Deines Wissens nach diese Umrechnung der Messwerte auf Standardatmosphäre?
Guido Reusch: Nein, nach meinen Kenntnisstand bisher nicht.

Ausschnitt aus einer EAPR Risiko-Analyse eines Schirmes
in Anlehnung an die Safety Class Tests des DHV.
(Ins Bild klicken zum Vergrößern). // Quelle: EAPR
Du selbst hattest Anfang des Jahres noch als Leiter der EAPR angekündigt, den Herstellern solche an die Safety Class angelehnte Tests mit Datenloggern anzubieten und eine entsprechende Auswertung zu liefern. Was ist aus dem Projekt eigentlich geworden?
Guido Reusch: Wir haben das gemacht. Wir haben das auch an die Hersteller weitergegeben. Wir haben es ihnen allerdings freigestellt, die Ergebnisse zu nutzen oder nicht. Vor allem hat sich aber gezeigt, wie schwierig es ist, reproduzierbare Ergebnisse zu bekommen.

Inwiefern?
Guido Reusch: Der sogenannte worst-case oder der Klapper an der Obergrenze des Messfeldes, wie es der DHV bei der Safety Class nennt, ist einfach kein reproduzierbares Ergebnis. Mal schießt der Schirm weit vor, mal nicht. Mal gibt es Kaskaden, mal nicht. Häufig können die Testpiloten nicht einmal sagen, was ist bei der Spirale, was ist bei dem Klapper jetzt wirklich anders gewesen, dass da ein so anderes Resultat rauskommt. Da haben auch die Hersteller gesagt: Wow, da ist ja eine Streuung drin, das liegt jetzt nicht an der Messtechnik, da kann man nichts mit anfangen.

Nur um das klarzustellen: Die EAPR hat also eine eigene funktionierende Loggertechnik?
Guido Reusch: Ja, haben wir.

Das ist interessant. Denn es gibt ja Hersteller, die vom DHV fordern, er solle ihnen seine Loggertechnik zur Verfügung stellen, damit sie selbst schon während der Schirmentwicklung solche Tests machen können. Warum baust Du nicht Deinen Logger in zigfacher Ausführung und bietest ihn den Herstellern an. Gibt es da keine Nachfrage?
Guido Reusch: Doch, aber das bringt nichts. Denn um eine echte Vergleichbarkeit von Tests zu ermöglichen, fehlen uns die Detail-Informationen vom DHV. Wir wissen ja nicht einmal, mit welcher Frequenz die Messwerte im DHV-Logger geschrieben werden. Und es macht einen enormen Unterschied, ob ich mit zwei, fünf oder 15 Messungen pro Sekunde arbeite. Allein dadurch komme ich schon zu ganz anderen Ergebnissen. Hier lässt der DHV bisher gar nichts raus. Dieses Mauern ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar. Der DHV will sichere Schirme? Dann sollte der DHV den Herstellern die Daten geben, sofern diese vorhanden sind, damit sie damit arbeiten können.

Meines Wissens nach hat es Angebote des DHV an die Hersteller gegeben, gemeinsam einen Loggerstandard zu entwickeln...
Guido Reusch: Ja, das hat es gegeben, im Februar. Aber das ist vom DHV nicht weiter verfolgt worden. Peter Wild arbeitet im Auftrag des DHV ja mittlerweile an der dritten Generation des Loggers. Nach meinem Kenntnisstand wurde ihm explizit vom DHV verboten, diesen Logger weiterzuverkaufen.

Könnte der DHV seine Loggertechnik nicht auch schon für die Tests seiner Musterprüfstelle einsetzen? Das würde dem Verband doch einige der Diskussionen mit den Herstellern ersparen. Die beschweren sich ja vor allem auch darüber, dass manche Schirme, die selbst von der DHV-Musterprüfstelle ein A bekommen, deutlich später durch eine schlechte Safety Class Einstufung quasi unverkäuflich werden.
Guido Reusch: Eine gute Frage! Im Grunde wäre das total einfach. Aber warum macht der DHV das nicht? Die Antwort ist in meinen Augen simpel: Weil die Prüfstelle diese Logger-Messungen in einer für die Akkreditierung nötigen Form gar nicht darstellen kann – zumindest nicht in der Form, wie sie derzeit gemacht werden. Um diese Tests in der akkreditierten Prüfstelle nutzen zu können, bräuchte man Nachweise der Validierung der Daten und Kalibrierung der Messgeräte. Aber das ist nicht möglich. Und genau das ist die größte Schwachstelle der Safety Class.

Du meinst, der Logger liefert eigentlich keine prüftechnisch sinnvollen Messergebnisse?
Guido Reusch: Glaube mir, wir haben es mit unserem Logger ausprobiert. In diesem Verfahren stecken messtechnische Probleme drin, da hat ein normaler Pilot gar keine Ahnung von. Ich behaupte sogar, und da kann der DHV mich gerne eines Besseren belehren, dass einige Teile der angeblich genutzten Daten gar nicht in einem ausreichenden Maße zur Verfügung stehen.

Du meinst, die Daten gibt es gar nicht?
Guido Reusch: Zumindest nicht in einer verwertbaren Form. Da sind zwar Werte aufgenommen worden. Aber letztendlich kann man in der Auswertung nur sagen, ja toll, wir haben jetzt viele Daten. Wir kriegen auch irgendein Resultat heraus. Aber wir kriegen auch irgendein anderes Resultat raus, das kommt darauf an, wie wir das lesen. Aber das ist nicht Sinn und Zweck der Sache. Gerade in Sachen Pitchmessung bei Seitenklappern und beim Frontklapper behaupte ich definitiv: Da hat der DHV bei seinen Safety Tests in den ersten Jahren komplett ins Blaue geschossen.

Von außen betrachtet wirkt der Streit um die Safety Class auch wie ein Machtkampf zwischen den Herstellern und dem DHV. Da laufen sogar Klagen. Ist der DHV aus Sicht der Hersteller einfach zu mächtig?
Guido Reusch: Er ist schon sehr mächtig. Man muss aber auch sehen: Er bewegt sich auf einem sehr schmalen, fragwürdigen Grat mit Widersprüchen. Die gleichen Schirme kriegen beim DHV ein A in der Musterprüfung und dann eine Note 4 in der Safety Class von den anderen Prüfern. Das stellt doch aus Sicht eines Piloten die Glaubhaftigkeit sowohl der Musterprüfstelle als auch der Safety Class Prüfer komplett in Frage.

Was wäre die Alternative?
Guido Reusch: Ich kann mit der DHV Safety Class leben, aber dann bitte ohne Musterprüfung. Und ich kann sehr gut mit der Musterprüfstelle leben, denn ich mag die Jungs, die da testen. Der Reiner Brunn und der Harry Buntz, die sind klasse, da haben wir überhaupt kein Problem mit. Die machen einen guten Job und wissen was sie tun. Das Zusammenspiel beider Seiten in einem Verband, das halte ich für fragwürdig.

Am Anfang des Interviews hast Du gesagt, Dich reizten neue Herausforderungen. Wäre da nicht auch der Job des DHV-Geschäftsführers etwas für Dich gewesen?
Guido Reusch: (lacht) Ich habe mal zum Spaß gesagt: „Weil ich mich nicht beworben habe, mussten sie es nachher ausschreiben.“ Aber im Ernst: Das hat mich keine einzige Sekunde gelockt. Außerdem glaube ich: Das Feindbild, das der DHV mir gegenüber über Jahre hinweg aufgebaut hat, hätte bei einer Bewerbung eher zu einem großen Lacher geführt.

Ab März 2017 wird Robin Frieß neuer Geschäftsführer des DHV, als Nachfolger von Klaus Tänzler. Wenn Du Dir etwas von ihm wünschen dürftest, was wäre das?
Guido Reusch: Mehr reden. Klaus Tänzler war für die Hersteller und die anderen Prüfstellen nicht existent die letzten fünf Jahre. Ich wünsche mir einfach mehr Kommunikation, mehr Austausch. Wir haben einen Brief an den DHV geschrieben und bekommen ja nicht mal eine Eingangsbestätigung. Das ist kein guter Stil. Diese überarrogante Art und Weise, so etwas mehr oder weniger zu ignorieren – da wünsche ich mir von Robin, dass wir auf einem ganz anderen Niveau überhaupt miteinander reden können.

Erwartest Du denn, dass mehr Bewegung in die Kommunikation zwischen DHV und PMA kommt, wenn Robin Geschäftsführer ist?
Guido Reusch: Ich bin gespannt. Momentan haben wir ja eine Situation wie in den USA nach der Präsidentschaftswahl. „Lame Duck“ nennen dann die Amerikaner ihren Präsidenten. Der Neue kann noch nicht, und der Alte will nicht mehr. Beim DHV geht jetzt erst einmal ein halbes Jahr komplett verloren. Und wer glaubt, dass Klaus Tänzler dann komplett aufhören würde und nicht mehr im Hintergrund weitermacht, der verkennt die Situation beim DHV ein wenig. Peter Janssen [Anm.: Ehrenvorsitzender des DHV] ist auch schon vor vielen Jahren abgetreten, und den treffe ich immer noch mit schöner Regelmäßigkeit in irgendwelchen offiziellen Meetings. Und so wird das mit Klaus wohl auch sein. Der Robin wird es nicht leicht haben. Da gibt es einige Jungs im Hintergrund, die Hardliner, die werden ihn schon entsprechend briefen, wie der Umgang des DHV mit der EAPR, mit der PMA, der EHPU usw. zu sein hat.

Ich bin ich auch gespannt, was in Zukunft von der PMA mit Deiner Handschrift noch so kommt.
Guido Reusch: Ich bin nur der Sekretär, ich habe da nur Zuarbeiterfunktion.

Aber wenn ich Dich richtig verstanden habe, willst Du auch Motor und Ideengeber sein. Dafür wurdest Du doch auch gewählt, weil die Hersteller sich gesagt haben: Neue Besen kehren gut.
Guido Reusch: Es gibt aber auch einige, die Schiss davor haben, dass der Besen aus Stahl ist. Aber ich werde da keinen Alleingang machen. Ich bin vielleicht Motor und Kontakter in alle möglichen Richtungen. Aber ich bin nicht die PMA, ich bin nicht der Geschäftsführer. Ich bin nur der Sekretär. Ich kümmere mich um die Öffentlichkeitsarbeit und versorge den Vorstand mit eingegangenen Ideen, ob die nun von mir kommen oder von anderen.

Ich danke Dir für das Gespräch.

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Castelluccio hart getroffen

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Das jüngste Erdbeben in Italien bei Norcia hat auch den unter Gleitschirmfliegern bekannten Ort Castelluccio di Norcia sehr stark in Mitleidenschaft gezogen.

Das größtenteils zerstörte Castelluccio di Norcia aus der Luft.
// Quelle: Facebook, Francesco Montani
Bei dem Erdbeben von Amatrice vor einigen Wochen war Castelluccio noch glimpflich davon gekommen. Einige Häuser wiesen Schäden auf, doch das Leben im Ort ging weiter. Selbst einige Gleitschirmreisen dorthin fanden noch statt, nachdem für Gleitschirmflieger eine Ausnahme in einer großräumigen Flugverbotszone ausgesprochen worden war.

Doch das neuerliche Beben am 29. Oktober mit einer Stärke von 7,2 auf der Richter-Skala hat dem Ort nun arg zugesetzt. Wie Luftbilder und weitere Fotos zeigen, sind viele Gebäude im Ortskern eingestürzt, und auch von den noch stehenden Häusern sind viele nicht mehr sicher bewohnbar.

Die Regierung verspricht zwar einen kompletten Wiederaufbau der zerstörten Orte in der Region. Doch bis es soweit ist, könnten Jahre vergehen. Das Gleitschirmreiseziel Castelluccio steht vor einer sehr ungewissen Zukunft.

Mit einem EN-B zum Weltrekord

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Konrad Görg hat in Brasilien einen neuen Rekord in der Rubrik "Straight Distance to a declared Goal" aufgestellt: 425 km. Geflogen ist er die Strecke mit einem EN-B-Schirm. 

Konrad Görg sehr glücklich bei seinem Rekordflug.
// Quelle: Facebook - Konrad Görg
Der 1. November war einmal mehr ein ganz besonderer Tag für das Streckenfliegen in Brasilien. Gleich fünf Piloten flogen von Quixadá aus mit dem Wind weit über 400 km Luftlinie über das Flachland.

Am weitesten kamen zwei Portugiesen und der Österreicher Lex Robé, die mit ihren Hochleistern, darunter der neue Ozone Zeno, erst nach über 450 km landen gingen. Doch den größten Erfolg durfte der Deutsche Konrad Görg feiern. Er hatte vor dem Flug offiziell nach FAI-Regeln ein Ziel in 425 km Entfernung deklariert und dieses auch tatsächlich überflogen - in 2000 Meter Höhe.

Am Ende kam er sogar knapp 440 km weit (Luftlinie). Damit kann er gleich eine doppelte Weltbestleistung für sich beanspruchen. 425 km wären, wenn sie von der FAI formell anerkannt werden (was noch aussteht), ein neuer Weltrekord in der Rubrik "Straight Distance to a declared Goal". Derzeit steht hier die Marke 423,5 km, die Honorin Hamard 2013 ebenfalls in Brasilien erflogen hatte. Die 440 Kilometer wären wiederum die weiteste bisher mit einem EN-B-Schirm geflogene Strecke. Über drei Wendepunkte gerechnet dürfte der Flug sogar noch etwas weiter gewesen sein. Konrad Görg war mit einem Aircross U Cruise unterwegs.

Der Fünfte im Bunde der 400er-Piloten des Tages ist der Österreicher Josef Edlinger, der mit seinem Nova Phantom auf 435 km Strecke kam (s. DHV XC).

Für Konrad Görg dürfte der Rekord in mehrfacher Hinsicht Genugtuung sein. Schon als er vor rund zwei Wochen nach Brasilien aufbrach, hatte er angekündigt, einen neuen EN-B-Rekord fliegen zu wollen, was er nun geschafft hat. Bisher wurde der EN-B-Rekord von Burkhard Martens gehalten (~390 km Luftlinie). "Burki" weilt derzeit auch wieder in Quixadá , in der Hoffnung, neue Rekorddistanzen zu erreichen.

Der selbst erflogene Rekord hat für Konrad Görg freilich noch eine weitere Bedeutung. Konrad ist Chef der vergleichsweise kleinen Gleitschirmschmiede Aircross. Für das Marketing sind solche Zahlen Gold wert. Allein der Wiederhall in den sozialen Netzen dürfte die Bekanntheit der Marke Aircross und des U Cruise als Schirm international deutlich pushen. Aircross-Vertriebsleiter Dirk Weiss kommentierte auch gleich auf Facebook: "Bin heute extra früh auf, um die Bestellungen für den U Cruise aufzunehmen." Dahinter steht ein Smiley. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass solche Rekordversuche gerade in Brasilien Teil der Werbestrategie diverser Marken ist, um neue Schirme mit Hinweis auf ihre Leistungswerte besser am Markt platzieren zu können.

Neue Rekorde zu fliegen, dürfte in Zukunft allerdings immer schwerer werden. Denn die Flüge werden heute im Grunde nur noch durch die Sonnenscheindauer begrenzt - und die Fähigkeit der Piloten, auch unter extremeren Bedingungen ihren Schirm noch gut zu kontrollieren und auch stark windversetzte Thermiken sauber zu zentrieren. Der 1. November war da sehr selektiv und einige sehr gute Piloten standen auch früh ab. Konrad Görg selbst schreibt von einem extrem starken Wind, vor allem während der ersten Flugstunde. Zwischenzeitlich hätten seine Instrumente sogar 100 km/h Groundspeed angezeigt.

Teilnehmer für X-Alps 2017 nominiert

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30 Piloten hat Redbull für den Hike-and-Fly Wettbewerb X-Alps 2017 nominiert. Neben einigen schon seit Jahren bekannten Namen gibt es auch zehn Newcomer.

Ein Teilnehmer der Redbull X-Alps 2015 über Graubünden.
// Foto: Felix Wölk - zooom
Chrigel Maurer, Aaron Durogati, Paul Guschlbauer und Toma Coconea - das sind vier der renommierten "Wiederholungstäter", die auch bei den Redbull X-Alps 2017 an den Start gehen werden. Daneben wurden in der 30 Piloten umfassenden Aufstellung, die Redbull am 2. November offiziell präsentierte, ein Drittel der Plätze an Newcomer vergeben.

Hier das offizielle Starterfeld:
(die Newcomer sind mit * markiert)


  • Claudio Heidel Schemberger, Argentinien
  • Che Golus*, Australien
  • Paul Guschlbauer, Österreich
  • Stephan Gruber, Österreich
  • Pascal Purin, Österreich
  • Simon Oberrauner*, Österreich
  • Tom de Dorlodot, Belgien
  • Richard Brezina*, Kanada
  • Stanislav Mayer, Tschechien
  • Antoine Girard, Frankreich
  • Gaspard Petiot, Frankreich
  • Nelson de Freyman, Frankreich
  • Benoît Outters*, Frankreich
  • Sebastian Huber, Deutschland
  • Manuel Nübel, Deutschland
  • Pal Takats, Ungarn
  • Aaron Durogati, Italien
  • Tobias Grossrubatscher*, Italien
  • David Liano Gonzalez*, Mexiko
  • Ferdinand van Schelven, Niederlande
  • Nick Neynens, Neuseeland
  • Michal Gierlach*, Polen
  • Toma Coconea, Rumänien
  • Evgenii Griaznov, Russland
  • Duncan Kotze*, Südafrika
  • Chikyong Ha, Südkorea
  • Christian Maurer, Schweiz
  • Krischa Berlinger*, Schweiz
  • Gavin McClurg, USA
  • Jesse Williams*, USA

Bei den Redbull X-Alps 2017, die am 2. Juli des kommenden Jahres beginnen, soll es wie schon 2015 einen Prolog geben. Dabei können sich die drei Erstplatzierten einen zusätzlichen Night-Pass für den eigentlichen Wettkampf sichern. Am spannendsten ist allerdings die Frage: Wer kann Chrigel Maurer schlagen? Oder wird es dem Schweizer "King of Hike-and-Fly" gelingen, das Rennen ein fünftes Mal in Folge zu gewinnen?

Windytv jetzt auch fürs Iphone

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Windytv fürs Iphone.
// Quelle: Windytv
Die Meteoseite Windytv (früher: Windyty) gibt es jetzt auch als App fürs Iphone. Anders als die Android-Lösung bietet sie - wie die Webanwendung - die Daten des ECMWF-Modells als Standard.

Für Flugmeteorologen ist die Seite wie die App sehr interessant, weil sie nicht nur Bodenwerte, sondern auch Meteodaten aus verschiedenen Höhenschichten der Atmosphäre darstellt. So kann man Höhenwinde checken, aber auch Feuchtigkeitswerte (Bewölkung) und die Temperatur in verschiedenen Höhen. Das erlaubt sogar eine grobe Abschätzung der Thermikträchtigkeit eines Tages.

Windytv hat angekündigt, dass bald auch die Android-App mit ECMWF "aufgerüstet" werden soll.

Erste Hilfe - eine kurze Anleitung

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Das hilft auch nach Flugunfällen weiter: In den Zeitschriften ADAC Motorwelt und Apotheken-Umschau ist eine kurze Erste-Hilfe-Anleitung erschienen. 

Ein Ausschnitt aus der Erste-Hilfe-Kurzanleitung
von ADAC und Apotheken-Umschau.
Da geschieht ein Unfall am Startplatz, ein Pilot liegt bewusstlos im Gras, man steht ein wenig geschockt daneben und fragt sich: Wie war das mit der ersten Hilfe? Wie ging nochmal die stabile Seitenlage?

In der aktuellen ADAC Motorwelt (S. 51) und der Apotheken-Umschau (11/16, S. 45) ist in Kooperation eine identische, kurze Anleitung für die wichtigsten, weil möglicherweise lebensrettenden Erste-Hilfe-Maßnahmen erschienen.

Die jeweilige Seite kann man ausschneiden, auf Scheckkartengröße falten und zum Beispiel ins Piloten-Cockpit stecken. Ein Blick auf die Bildchen plus kurzem Text könnte einem im Notfall eine wichtige Hilfestellung sein.

Wiederbelegung, Rettungsgriff, stabile Seitenlage und Schocklagerung sind dort beschrieben, und all diese Techniken sind nicht nur nach Verkehrsunfällen wichtig, sondern genauso auch nach Flugunfällen anwendbar.

Wer keinen Zugriff auf die entsprechenden Zeitschriften hat, kann sich die Anleitung auch als pdf herunterladen und ausdrucken.

Filmkritik: Inside Red Bull X-Alps 2015

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Ein Dokumentarfilm lässt den Verlauf der Red Bull X-Alps 2015 wieder aufleben. Er liefert schöne Bildern, wird dem Wort "inside" im Titel aber nicht wirklich gerecht.

Inside Red Bull X-Alps 2015. // Quelle: Vimeo - Screenshot
Beim Filmwettbewerb des diesjährigen Coupe Icare hat die Dokumentation "Inside Red Bull X-Alps 2915" schon einen Preis eingeheimst. Jetzt ist der Film auf Vimeo zu sehen, und zwar kostenpflichtig  - entweder als Leihfilm (gestreamt, 5,99 €) oder als Kauf-Video (Stream und Komplett-Download, 11,99 €).

Versprochen wird im Teaser-Text, dass man die Highlights des Hike-and-Fly-Rennens von 2015 nacherleben könne. Und das Wort "Inside" im Titel macht Hoffnung, dass hier entscheidende Punkte des Rennens tatsächlich einmal aus einer inneren Perspektive heraus erzählt werden. Diesem Anspruch wird der Film aber nur in Ansätzen gerecht.

Tatsächlich handelt es sich um eine noch recht oberflächliche Reportage, die den Verlauf des Rennens weitgehend linear, also Tag für Tag nacherzählt. Sie tut dies mit schönen, teilweise majestätischen Bildern, wie man es von einer aufwendigen Profi-Produktion mit umfangreichem Helikoptereinsatz etc. erwarten darf. Das ist nett anzuschauen.

Allerdings ist die ganze Erzählhaltung ergebnisorientiert, d.h. es geht hauptsächlich um die vorderen Platzierungen. Die eigentliche Faszination, die dieses Rennen für einen gleitschirmfliegenden Beobachter ausübt, nämlich die Frage nach dem "Wie" die Piloten dabei vorgehen, zum Beispiel wie sie sich mit ihren Supportern abstimmen, wie sie sich bei all der Anstrengung im Tagesverlauf ernähren, wie sie zu ihren Routenentscheidungen kommen, wo ihre besonderen Schlüsselstellen lagen etc., wird nur sehr beiläufig gestreift.

Bei einem Film, der das "Inside" im Titel führt, hätte ich mehr Hintergründiges erwartet. Alle Tracks der Piloten liegen den Organisatoren doch im Detail vor. Warum wurden hier nicht manche der "Magic-Moves" bzw. unkonventionellen Streckenführungen aufgearbeitet, mit denen zum Beispiel Piloten wie Nick Neynens oder Gavin McClurg sich im Verlauf des Rennens von hinteren Positionen wieder weit nach vorne katapultierten. Hierzu gibt es doch heutzutage wunderbare Animationsmöglichkeiten. Oder der spannende Kampf um Platz drei und vier, den Antoine Girard hinter Paul Guschlbauer nur dank eines bravourösen Fluges bis zum letzten Wendepunkt ergatterte, indem er seinen schon wandernden Landsmann Gaspard Petiot nur wenige Meter vor dem Ziel noch überflog. Solches hätten die Autoren spannend nacherzählen können, am besten gekrönt mit rückblickenden Interviews der Protagonisten, damit der Zuschauer tiefere Einblicke in die technischen, taktischen und emotionalen Details des Rennens bekommt.

Diese Chance haben die Filmemacher Antoine Boisselier und Christophe Tong Viet vertan. Die Dokumentation ist deswegen nicht schlecht, nur eben etwas brav und ohne Insider-Überraschungen. Als Einstimmung auf die nächsten X-Alps 2017 bleiben 52 ganz unterhaltsame Minuten, die man gesehen haben kann, aber nicht muss.

Mit blinder Hoffnung zum gefeierten Abenteurer?

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Für seinen Gleitschirmflug über einen 8000er wurde der Franzose Antoine Girard von National Geographic als potentieller "Adventurer of the Year" nominiert.

Antoine Girard bei seinem abenteuerlichem Höhenflug in Pakistan.
// Quelle: Facebook - A. Girard
Zehn Kandidaten sind es, die National Geographic aktuell auf seiner Homepage zur Wahl um den Titel "Abenteurer des Jahres" präsentiert. Die Leser des Magazins sind aufgerufen, darüber online abzustimmen. Und neben Extrem-Kletterern, Extrem-Kayakern, Extrem-Höhlenforschern etc. ist auch der Name des französischen Extrem-Gleitschirmfliegers Antoine Girard zu finden.

Girard hatte in diesem Sommer für Furore gesorgt, weil er als erster Mensch mit einem Gleitschirm fliegend höher als 8000 Meter MSL aufgestiegen war. Dabei hatte er - ohne Extra-Sauerstoff - den 8056 Meter hohen Broad Peak in Pakistan überflogen (Lu-Glidz berichtete).

Es ist nicht allein die 8000er-Marke, die die Jury von National Geographic als Grund für eine Nominierung sah. Es ist der gesamte, fast dreiwöchige solo Hike-and-Fly-Trip Girards, der das eigentliche Abenteuer darstellt - zumal er dabei einige haarsträubende Momente durchzustehen hatte. In einem Hintergrundbericht bei National Geographic (auf Englisch) ist zum Beispiel eindrücklich beschrieben, wie Girard einen dreitägigen Sturm auf fast 5000 Meter Höhe aussitzen musste; oder wie er, durch Wolken fliegend, Pässe und Gletscher überwand - mit GPS und "blinder Hoffnung" als Navigationshilfe, wie es in dem Report treffend heißt.

Sollte Girard die Leserwahl gewinnen (man kann noch bis zum 16. Dezember täglich neu seine Stimme abgeben und somit auch kumulieren), wäre er nicht der erste Gleitschirmpilot, der den Titel "Abenteurer des Jahres" erringt. 2011 war der Nepalese Sano Babu Sunuwar mit einem Tandem vom Mount Everest abgeglitten, wofür er 2012 diese Auszeichnung durch National Geographic erhielt.

Einmal im Leben Quixadá

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Lex Robé ist einer der besten Streckenflugpiloten in den Alpen. Kürzlich erlebte er erstmals Höhen und Tiefen der Flachlandfliegerei im brasilianischen Quixadá. Ein Gespräch.
Lex Robé beim entspannten Ausgleiten in den Sonnenuntergang nach weit über 400 km. // Foto: Lex Robé

Quixadá im Nordosten Brasiliens hat sich innerhalb weniger Jahre einen Namen gemacht als Streckenflug-Eldorado. Oktober und November sind die Monate, wo dort regelmäßig 200er, 300er oder gar 400er über dem Flachland geflogen werden. Viele Piloten zieht es nach Quixadá in der Hoffnung, dort eigene persönliche Bestleistungen und vielleicht sogar allgemeine Rekorde zu erfliegen. Der Österreicher Lex Robé war in diesem Jahr einer von ihnen. In den Alpen hat er sich einen Namen als sehr erfahrener Streckenflieger gemacht. 2015 gewann er sogar die Weltwertung des XContest. Quixadá war für ihn nun die erste ernsthafte Begegnung mit der Flachlandfliegerei. Am Ende standen unter anderem 462 Kilometer als persönliche Bestleistung und österreichischer Rekord in seinen Büchern. Im ausführlichen Interview mit Lu-Glidz erzählt er von seinen Erfolgen, aber auch von Frustmomenten, der rätselhaften Thermiksuche im Flachland und der passenden Technik für den in Quixadá zwingenden Starkwindstart. 


Lex, Du bist ein sehr erfolgreicher Streckenflieger in den Alpen. 2015 hast Du beim XContest die Weltwertung gewonnen. Was hat Dich dazu bewogen, zum Flachlandfliegen ins brasilianische Quixadá zu reisen?
Lex Robé: Wir haben jedes Jahr bei uns im Verein einen sogenannten Streckenflugabend. Da haben wir Joe Edlinger und Berni Peßl eingeladen, bei uns einmal über ihre Quixadá-Fliegerei zu referieren. Die beiden erzählten super begeistert, wie toll das Gesamtpaket dort ist. Von wegen den Leuten, alle so freundlich, und natürlich die Chance, dort wirklich weit fliegen zu können.

Mit Berni Peßl bist Du auch in den Alpen häufig gemeinsam unterwegs. Ende 2015 ist er in Quixadá mehrfach über 300 km weit geflogen. Hast Du nach seinem Bericht gleich angebissen und gebucht?
Lex Robé: Ich war anfangs ein bisschen skeptisch wegen des Wetters. Ich hatte erwartet, dass nach 2015 mit dem trockenen El Niño nun 2016 im Wechsel ein La Niña Jahr wird. Und das hätte für Quixadá mehr Feuchte und Regen bedeutet. Ich habe deshalb abgewartet. Erst als sich im Herbst herauskristallisierte, dass es doch kein La Niña Jahr wird, habe ich relativ spontan erst zwei Wochen vor Abreise gebucht.

Quixadá war Deine erste große Begegnung mit dem Flachlandfliegen. Was war die größte Umstellung dabei?
Lex Robé: Bisher hatte ich mich immer sklavisch an jegliche Art von Hügel oder Berge geklammert. Weil ich dachte, nur dort gibt es verlässliche Thermik. Außer zum Landen habe ich das Flachland und Täler gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Die größte Umstellung bestand darin, einfach davon loszulassen.

Und das hat gleich funktioniert?
Lex Robé: Überhaupt nicht! Das war frustrierend. An den ersten Tagen bin ich gestartet, dann bin ich ein bisschen geglitten, und wenn ich nicht durch Zufall irgendetwas erwischt habe, bin ich sofort am Boden gestanden.

Was war Dein Fehler?
Lex Robé: Ich habe einfach nicht gedacht, dass es im Flachen schönere und bessere Thermik haben kann als auf den Bergen. Man setzt immer darauf, gerade auch bei dem starken Wind in Brasilien, am nächsten Hügel aufzusoaren, irgendwann wird schon was durchziehen. Aber das hat vielleicht in einem von fünf Fällen funktioniert.

Was ist dann die bessere Variante?
Lex Robé: Einfach mal ins Flache fliegen mit ein bisschen Höhe zum Suchen, dann trifft man dort auf Thermik.

Einfach so? In Quixadá wird doch schon sehr früh am Tag gestartet, manchmal noch vor 7 Uhr morgens...
Lex Robé: Der Thermik setzt dort ab 7 Uhr in der Früh ein. Da kommen schon die ersten Blasen hoch. Und ab 7:30 Uhr, wenn es passt, fliegt man ab. Das ist gerade mal zwei Stunden nach Sonnenaufgang. Am Anfang reicht die Thermik gerade mal 1000 Meter über Grund, wenn überhaupt. Man hat eine Abflughöhe von 1200 Metern, wenn es gut geht. Und dann gleitet man erst einmal und hofft.

Man kann also schnell wieder am Boden stehen. Ist der Tag denn dann gelaufen, oder gibt es die Chance, später erneut zu starten?
Lex Robé: Man hat dort üblicherweise einen sogenannten Rückholerservice. Die haben den Job, dich möglichst bald nach der Landung wieder aufzulesen. Wenn du willst, kannst du zwei, drei Mal am Tag starten.

Hast Du das gemacht?
Lex Robé: Am Anfang ja, ich wollte ja etwas lernen. Also bin ich immer wieder hochgefahren. Später am Tag hat sich die Thermik natürlich besser entwickelt, höhere Basis. Aber dann ist es bei mir meistens immer noch schief gegangen. Ich konnte die zweifellos vorhandenen Thermik-Trigger in der Praxis einfach nicht nutzen.

Ist es nicht frustrierend, im Streckenflug-Eldorado früh am Boden zu stehen?
Lex Robé: Wenn du vier Tage lang übst und probierst, und du kommst immer noch nicht weiter als 40 Kilometer, da beginnst du an dir selbst zu zweifeln. Da denkst du: Ich bin zu blöd, ich lasse es. Ich hau mich an den Pool, ich schaue mir das Land an, geh vielleicht abends ein bisschen soaren. Aber da muss man einfach durch. Es ist noch jedem so gegangen. Man muss erst viele seiner Fluggewohnheiten aus den Alpen über den Haufen schmeißen, um dort unten längere Flüge zu haben.

War Dir das nicht vorher klar?
Lex Robé: In der Theorie habe ich mich super vorbereitet. Ich habe mir das Streckenflugbuch von Burkhard Martens nochmal angeschaut, habe Berichte und Tipps über das Flachlandfliegen in diversen Zeitschriften gelesen, all das habe ich zusammengetragen. Die Theorie hatte ich parat: Immer schön geduldig bleiben, Nullschieber drehen und das alles. Aber hey, ich kann Dir sagen: Ich habe es anfangs nicht umsetzen können. Es ist wirklich ein Lernprozess, das auch so zu machen.

Nun bist Du als Newcomer in Brasilien dennoch bald große Strecken geflogen. Ich habe von anderen guten Piloten gelesen, die es erst in ihrer zweiten Saison in Brasilien geschafft haben, wirklich weit zu kommen.
Lex Robé: Bei mir war es nicht die zweite Saison, bei mir war es die zweite Woche. Ich habe immer ein bisschen gehofft, dass ich noch einen 300er fliege. Dass das möglich ist, hat mir eine Gruppe portugiesischer Piloten gezeigt, die zur gleichen Zeit dort war. Die sind wirklich formidabel geflogen. Sie haben bewiesen, dass in Quixadá im Grunde jeder Tag für einen 300er taugt.

Was war der Schlüssel zu Deinem Erfolg?
Lex Robé: Ich bin konservativer geflogen. Ich habe darauf verzichtet, immer bei den ersten dabei sein zu wollen. Ich habe mir gesagt, ich fliege einfach den Portugiesen nach, schaue mir an, wie die das machen. Im Zuge dessen lernst Du dann mal das Gelände besser kennen.

Ist Geländekenntnis wichtig?
Lex Robé: Speziell morgens bei den ersten Bärten, ja. Bis du dann weißt, wie du an dem Tag Deine Linie wählst. Der Wind kommt zwar immer ähnlich, aber doch nicht ganz gleich. Fliege ich heute eher an der Hügelkette haltend, oder fliege ich gleich ins Flache mit der Höhe. Da kriegt man schon eine gewisse Erfahrung, wenn man bestimmte Dinge ausprobiert.

Eine wichtige Regel für erfolgreiches Flachlandfliegen im Cockpit:
Basis machen - GEDULD! // Foto: Lex Robé
Dein erstes echtes Erfolgserlebnis?
Lex Robé: Das war, als ich das erste Mal komplett alleine im Blauen 370 Kilometer weit geflogen bin. In der Früh hatte ich das Glück, dass ich nicht abgesoffen bin. Und dann bin ich konstant extrem konservativ weitergeflogen. Was du da kurbelst, so etwas kurbelst du daheim niemals! Und ich bin da in Bereiche geflogen, da wusste ich nicht, ob es dort thermische Aktivität gibt, da keine einzige Wolke den Himmel zierte. Trotzdem ist sich an dem Tag ein 370er ausgegangen. Das war für mich der Augenöffner. Da habe ich gedacht, so langsam bist du warm geworden mit dem Gebiet.

Du hast also gelernt, der Flachlandthermik zu vertrauen.
Lex Robé: Glück gehört auch noch dazu. Man muss ganz klar sehen: Du kannst alles super machen aber immer noch Pech haben. Wenn zum Beispiel eine Blase gerade 20 Sekunden vor dir vorbei zieht und du sie verpasst. Dann musst du ein, zwei Minuten warten, bis die nächste kommt. Bist du schon tief, wird es schwer. Dieses Pech kannst Du speziell in den ersten 1,5 Stunden einfach haben. Da stehen dann auch die besten Piloten mal am Boden.

Was ist mit Pulkfliegen, um sich gegenseitig zu helfen?
Lex Robé: Wirklich wichtig ist der Pulk eigentlich nur in der Früh. Die Portugiesen waren da super teamflugfähig. Da ist immer irgendwer herumgeschweift, hat nach Thermik gesucht. So haben sie ihr Pech minimiert. Aber das ist im Flachland schon eine große Kunst.

Inwiefern?
Lex Robé: Bei uns in den Alpen kann man Pulkfliegen in Reinkultur betreiben. Man kann super einparken, man kann warten, man kann mit ortsfester Thermik spielen. Im Flachland spielt sich das auf einer viel komplexeren Ebene ab.

Was ist anders?
Lex Robé: Man kann sich im Flachland nur ganz schwer einparken. Die Thermik pulsiert. Die ist halt plötzlich nicht mehr da. Dein Freund, der gerade mal 50 Meter unter dir ist, erwischt den Einstieg nicht. Dich bläst es dann mit einem 30er-, 40er-Wind einfach weiter. Ich war mit anderen Piloten sogar per Funk verbunden. Trotzdem hat es uns schon auf den ersten Kilometern fast immer zerrissen, obwohl wir zusammen losgeflogen sind. Du glaubst gar nicht, wie schnell das geht.

Wer in Brasilien weit fliegen will, muss früh starten und dann am besten bis Sunset in der Luft bleiben. Wird einem da über dem Flachland nicht langweilig? Die Landschaft ist ja nicht so abwechslungsreich wie in den Alpen, wo jeder Talsprung eine neue Welt öffnet.
Lex Robé: Ich liebe jede Sekunde des Fliegens. Und das könnten von mir aus auch 20 Stunden am Stück sein, dann wird es mir immer noch nicht fad. Ich liebe einfach den Moment, wenn ich da im Gurtzeug hänge, wenn es aufwärts geht, oder halt runter. All diese Bedingungen, an denen die liebe Natur mich dran teilhaben lässt. Das habe ich in Brasilien nicht anders erlebt.

Und was ist mit der Eintönigkeit der Landschaft?
Lex Robé: In Quixadá wird auch das Gegend-Bewundern nicht öde. Es geht eh so schnell. Man ist dort beim Kurbeln mit einem 30er-, 40er-Wind unterwegs, und wenn man geradeaus fliegt, geht’s mit 80 km/h über Grund dahin, beschleunigt sogar noch schneller. Am Anfang denkt man, huh, die große Weite, aber nach einer Dreiviertelstunde ist die Weite gegessen. Da ist man schon wieder ganz woanders.

Sind die Bedingungen in der Luft denn anspruchsvoll?
Lex Robé: Außer beim Starten ist es in Quixadá sehr angenehm. Das kannst du mit unserer Alpenfliegerei überhaupt nicht vergleichen. Die Bärte sind ganz homogen, die sind nie scharfkantig. Selbst an einem blauen stabilen Tag ist das noch immer recht sanft. Von Ferne betrachtet glaubt man das ja nie. Die Videos von den Starkwindstarts von Quixadá sehen ja wild aus. Aber das empfundene Thermikfliegen dort ist eine super angenehme Geschichte.

Hattest Du nicht auch starke Bärte mit entsprechenden Abwinden daneben?
Lex Robé: Doch, schon. Aber ich war super überrascht, wie soft das ist. Wenn ein Bart hinter der Wolke aufhört, dann geht es halt abwärts, aber der Übergang ist sanft. Es gibt nie ein starkes Vorschießen. Selbst wenn Du direkt im Lee von einem fünf Meter Bart ausfliegst, dann sinkst Du halt nur einfach. Ich habe mich da pudelwohl gefühlt. Das ist wunderschön zu fliegen. Da wird man auch nicht müde.

Kommen wir zu Deinem Schirm: Du bist den Ozone Zeno geflogen, ein Zweileiner EN-D-Hochleister. Ist das der richtige Schirm für diese Landschaft, oder reicht im Flachland auch ein B-Schirm aus, um mit Rückenwind genauso weite Flüge machen zu können?
Lex Robé: Es hängt davon ab, wie Du gerne fliegst. Am Start in Quixadá muss man mit einem gestreckten Schirm sehr konzentriert sein. Aber einmal in der Luft, hast Du mit einem höher qualifizierten Schirm mehr Möglichkeiten. Der geht halt einfach schneller, hat eine bessere Windpenetration und ist sogar sicherer zu fliegen.

Ein Zweileiner ist sicherer als ein B-Schirm?
Lex Robé: Das mag kontrovers klingen. Aber wenn ich sehe, wie es die Jungs auf den B-Kisten da herumpitcht, speziell nach dem Start, da kriege ich Angst. Weil ich einfach weiß, hey, der ist dem Ding jetzt ausgeliefert, der steht im Gas und kommt nicht vorwärts. Bei meinem Schirm habe ich halt doch Reserven und kann durch die B-Handles selbst stark beschleunigt den Schirm ohne Geschaukel gegen den Wind ziehen lassen.

Sechs 400er-Piloten eines Tages (v.l.n.r.): Konrad Görg, Eusebio Soares,
Carlos Lopes, Joe Edlinger, Eduardo Lagoa und Lex Robé.
// Quelle: Lex Robé
Die B-Schirme kommen in Quixadá auch sehr weit. An dem Tag, als Du rund 460 Kilometer geflogen bist, ist Konrad Görg mit seinem U Cruise nach knapp 450 Kilometern gelandet. Das ist EN-B-Rekord. Und Konrad wäre wohl auch noch weiter gekommen, hätte er wie Du die letzte Thermik des Tages bis zum Ende ausgekurbelt.
Lex Robé: Das stimmt. Für die Distanz in Quixadá ist nicht der Hochleister entscheidend. Es ist eh der Wind, der die Kilometer frisst. Allerdings darf man sich nicht täuschen lassen. Die B-Schirme, die dort weit geflogen sind, das sind alles gute Schirme, kein Thema. Aber hey, wirklich weit fliegt nur der, der als Pilot weiß, wie man sich im Flachland effizient vorwärts bewegt, egal mit welchem Schirm.

Für das Fliegen in Brasilien ist einiges an Logistik nötig, vor allem ein guter Rückholer. Was hast Du dabei für Erfahrungen gemacht?
Lex Robé: Ich habe bewusst die drei mir bekannten Rückholerdienste ausprobiert. Das heißt, ich habe mich bei allen dreien eingebucht. Ich war insgesamt 16 Tage dort. Die ersten Tage war ich bei Quixadá Aventura, um die einmal kennen zu lernen, dann bei TermikZone, und zum Schluss bei Fly with Andi.

Wen kannst Du empfehlen?
Lex Robé: Alle sind super bis hervorragend. Der erste ist halt ein bisschen günstiger, dafür kann er nicht gescheit Englisch, geschweige denn Deutsch. Der zweite ist ein bisschen größer, kann zwar Englisch, hat aber nicht unbedingt die besten Fahrzeuge, die sich für einen richtigen Outback-Retrieve eignen. Und der dritte, Fly with Andi, hat als alter Hase natürlich alles, aber dafür hast Du auch 25 Leute da. Ich kann nur sagen, nimm dir irgendeinen, man fährt mit keinem schlecht.

Rückholservice bedeutet, ich kann als Pilot so weit fliegen, wie ich komme, und werde dort garantiert wieder abgeholt. Wird das wie ein Taxi pro Kilometer bezahlt, oder ist das eine Pauschale pro Tag?
Lex Robé: Es ist eine Pauschale. Je nach Anbieter sind das zwischen 800 und 1000 Euro pro Woche, inklusive Hotel mit Frühstück. Wenn du einen mittelweiten Flug hast und sagst, danke, bitte zurück ins Hotel, kostet es genau das gleiche wie wenn du 450 km weit fliegst und dann bei der Rückfahrt sogar auf der Strecke nächtigen musst. Das Hotel unterwegs, das sind so 15 Euro, die musst Du noch extra zahlen, aber sonst ist dort alles dabei.

Wie lange dauert so ein Retrieve?
Lex Robé: Nach zehn Stunden Flug musst Du mit einer zehnstündigen Rückfahrt rechnen. Die Straßen sind halt schlechter, teilweise Sandpisten, und das dauert einfach.

Ein richtig weiter Flug bedeutet also immer, der folgende Tag ist ein Ruhetag?
Lex Robé: Bis Piripiri, das ist das typische Ziel nach 300 Kilometer Luftlinie, da gehst Du am nächsten Tag wieder fliegen, wenn Du ein Hardcore-Typ bist. Du kannst ja auch im Auto schlafen. Wenn es weiter geht, ist ein Ruhetag sicher notwendig.

Leckere Wolkenstraßen beim 462-km-Flug. // Foto: Lex Robé
In Deiner zweiten Woche in Brasilien bist Du nur noch jeden zweiten Tag geflogen. Das heißt, da waren richtig große Strecken dabei. 462 Kilometer, deine persönliche Bestleistung und auch österreichischer Rekord. Zwei Tage später gleich nochmal ein 450er...
Lex Robé: Der zweite Tag nach meinem Rekordflug war gar nicht mehr so ein Spitzentag. Da war der Wind schwächer, die Thermik zwar gut, aber nicht super gut und erst wieder um 8 Uhr vom Startberg abgeflogen. Trotzdem bin ich auch wieder 450 Kilometer weit gekommen. Da habe ich erst gemerkt, was in Quixadá überhaupt noch geht. Du kannst jeden Tag super fliegen, und selbst an einem mittelmäßigen Tag sind über 300 Kilometer drin.

Wo ist das Ende der Fahnenstange?
Lex Robé: Ich bin überzeugt, es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch von Quixadá aus der 500er fällt. Der talentierte Leandro Padua hat ja bereits mit einem 488er gezeigt, dass nicht viel fehlt.

Am Anfang jedes Fluges steht erst einmal der Start. In Quixadá bedeutet das immer: Starkwind. Bei den dort üblichen Windgeschwindigkeiten würde man in den Alpen den Schirm erst gar nicht auspacken. Wie hast Du dich darauf vorbereitet?
Lex Robé: Quixadá Aventura pflegt einen super aufschlussreichen Youtube-Kanal mit Starts von Quixadá. Das ist die Lernressource Nummer 1. Ich würde jedem empfehlen, sich die Starts anzuschauen und zu analysieren. Einfach um zu lernen und zu schauen, was tun die Piloten, wie verhalten sie sich, was funktioniert gut, was überhaupt nicht.

Und was ist Dein Tipp für den Startwindstart?
Lex Robé: Es ist haarsträubend, wenn Leute glauben, sie müssten sich gegen den Wind zurücklehnen und den Schirm aktiv hochziehen. Wir sprechen hier nicht von einem 20er oder 25er Wind, sondern von 30er plus. Da reicht ein Zupferl, damit der Schirm anfängt hochzukommen. Und dann musst du dem Schirm sofort entgegen sprinten. Wirklich Hinsprinten zum Schirm! Bevor du dann den letzten Schritt unter die Kappe machst, fängst du schon an dich auszudrehen, damit der Schirm dich nicht aushebelt. Die Kiste dabei am besten nur für wirklich notwendige Korrekturen anbremsen. Diese Technik lege ich jedem Starkwindstartenden wärmstens ans Herz! Das hat bei mir ausnahmslos gute Starts zur Folge gehabt. Ich hatte keinen einzigen Startabbruch.

Gibt es in Quixadá Locals, die das perfekt vormachen können?
Lex Robé: Du wirst lachen – gerade die Locals, wo man denkt: Hey, jetzt kommen die Brasilianer, die sind dort aufgewachsen, die haben teilweise komplett wilde Starts. Die ziehen halt auf, lehnen sich zurück und lassen sich vom Schirm entgegen ziehen. Da kommen dann die komischsten Sachen bei raus. Aushebeln und Geschaukel zumeist vorprogrammiert.

Was war für Dich das Highlight in Brasilien?
Lex Robé: Natürlich der Rekordflug, herzzerreißend. Wenn Du schon merkst, das wird, das wird, und es geht noch weiter, und dann erwischt Du noch einmal eine Spitzenthermik...

... und gleitest am Ende in den Sonnenuntergang?
Lex Robé: Diese Sunset-Endanflüge sind einfach gewaltig. Du bist mit ganz viel Feingefühl in den Tag gestartet, hast bei stärker werdenden Bedingungen ebenfalls Deine Schlagzahl erhöht, oder auch in schwachen Bärten geduldig in Höhe investiert. Du hast alles hinter dir. Und dann wird alles nur gemütlich am Abend. Wenn Du Glück hast, dann löst von einer Mini-Geländekante irgendein Nullschieber ab und wächst noch langsam zu einem 1,5 Meter Bart. Damit erreichst du um fünf Uhr abends noch einmal Basishöhe in 3000 Meter und weißt, jetzt kannst Du noch weitere 30 Kilometer ausgleiten. Das ist ein Wahnsinn.

Und was waren die spannendsten Momente?
Lex Robé: Speziell sind natürlich immer Low-Saves. Da habe ich während meiner 16 Tage zwei gehabt – wäre ich da nur 20 Meter tiefer gewesen, wäre ich landen gegangen. Spannend ist aber auch das ständige Rate- und Denkspiel, wo geht die Thermik ab, wo ist sie vielleicht besser?

Ein Ratespiel?
Lex Robé: Ganz oft sogar. In Brasilien hatte es zu meiner Zeit so riesige Wolken, die nicht nach oben wuchsen, sondern einfach nur in die Breite. Diese Wolken breiten sich unter einer starken Inversion auf vielleicht drei Kilometer aus und sind homogen grau. Da fliegst Du herum und versuchst einfach das Rätsel zu knacken, wo geht es dort am besten nach oben. Ist es auf der Sonnenseite, in der Mitte oder sonst wo.

Verrätst Du mir die Lösung?
Lex Robé: Untertags kann ich da gar nichts sagen. Da ist es mal so, mal so. Zum Abend hin schaut das anders aus. Ab 3 Uhr am Nachmittag ging bei mir immer die Sonnenseite, beziehungsweise die Schattenabrisskante der ziehenden Wolken, wirklich zuverlässig. Das hat bei mir immer funktioniert. Da kann man dann mit Zuversicht die Wolken anfliegen.

Schwarz abgebrannte Felder stellen zuverlässige
Thermikquellen dar. // Foto: Lex Robé
Hast Du noch weitere Thermiktipps für Quixadá?
Lex Robé: Wenn man tief kommt, dann hilft es, windgeschützte Gebiete mit vielleicht 200, 300 Meter Höhenreserve zu überfliegen. Also so Mulden, wo die Sonne ein bisschen reinknallt und wo eine lokale Überhitzung stattfinden kann. Aus diesen windgeschützten Bereichen geht dann zuverlässig ein Bart ab, in den man aber oft überraschend weit hinten erst einsteigt. Ansonsten sind auch abgebrannte Felder sehr zuverlässig. Gute Erfahrungen habe ich zudem mit Schachbrettmustern in der Landschaft gemacht. Hell, dunkel, hell, dunkel, irgendwelche Kontraste. Da ist immer irgendwo etwas. Man sollte nur vorher viel in Höhe investiert haben, um die Chance zu maximieren, dort per Zufall in einen der pulsierenden Bärte zu fliegen.

Könnte Quixadá auch für Piloten interessant sein, die nicht zwangsläufig den 200er oder 300er anstreben, sondern es eher gemütlich angehen lassen wollen, erst um 11 Uhr am Startplatz stehen, um dann ein wenig rumzusoaren?
Lex Robé: Grundsätzlich ja, aber vergiss das mit 11 Uhr. Das ist dort die denkbar sportlichste Zeit. Wenn du ein Genussflieger bist, würde ich die Mittagszeit in Quixadá klar meiden. Man muss das mit der Uhrzeit halt timen. Das heißt, entweder in der Früh im laminaren Wind raus, oder halt am Abend für einen Abendsoaringflug. Das Hotel Pedra dos Ventos hat sogar einen eigenen Startplatz, da kannst Du sogar zu Fuß raufmarschieren. Das ist genauso bereichernd und wunderschön.

Du hast nach 16 Tagen in Quixadá 2055 Punkte auf dem Konto beim XContest. Das ist schon fast so viel, wie Du bei Deinem Sieg in der Weltwertung der Saison 2015 hattest. Muss man heute nach Brasilien fahren, um im Ranking ganz vorne mitfliegen zu können?
Lex Robé: Leider ja. Dass ich 2015 den Welt-XC-Titel holen konnte, ist auch nur dessen geschuldet, dass die guten Leute in der Saison nicht in Quixadá fliegen waren. Heute hat ein Pilot selbst mit 300er FAIs in den Alpen keine Chance mehr. Künftig wird kein Weg an Quixadá vorbei führen. Es werden sicher immer mehr Piloten dorthin pilgern. Und nicht nur der Strecken wegen.

Was ist aus Deiner Sicht sonst noch verlockend?
Lex Robé: Das Gesamtpaket ist einfach super. Wenn Du ein Mensch bist, der gerne fliegt, dann ist das ein Traum: wirklich jeden Tag die Chance weit zu fliegen. Und wenn Du absäufst, hast Du die geilsten Erlebnisse mit den freundlichsten Leuten der Welt. Selbst wenn Du in noch so entlegenen Winkeln der Botanik landest, dauert es keine zehn Minuten und jemand Neugieriger kommt, um Dich besuchen – meistens ganze Scharen. Zudem hab ich es als absolut sicher dort empfunden. Du brauchst dir null Stress machen, dass Du nachts allein am Straßenrand ausgeraubt wirst. Dieses Erlebnis insgesamt, das muss man erst einmal toppen.

Hast Du Brasilien für Dich im nächsten Jahr also schon fest eingeplant?
Lex Robé: Das würde ich liebend gerne tun. Aber dem steht meine Arbeit entgegen. Ich konnte Brasilien jetzt im Herbst nur machen, weil ich mir eine dreimonatige Auszeit genommen hatte. Aber das wird mein Arbeitgeber nicht so schnell wieder mitmachen. Quixadá war für mich wohl eine einmalige Geschichte.

Lex, ich Danke Dir für das Gespräch.

Weiterlesen: Lex Robé hat ausführliche Berichte mit Fotos und Videos zu seinen zwei weitesten Flügen von Quixadá veröffentlicht (462 km | 450 km). Im Netz ist zudem von ihm ein detaillierter Vergleich der Rückholservice-Anbieter von Quixadá zu finden. 

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Test: Skytraxx Tweety

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Der Trend zur Leichtausrüstung spiegelt sich auch bei den Varios wieder. Skytraxx' neues Hike-and-Fly Vario Tweety kann nur Piepen. Als Backup-Lösung passt es in jeden Packsack. 

Die Farbauswahl des Tweety. // Quelle: Skytraxx
Einen ausführlichen Test des Skytraxx Tweety schreiben zu wollen, wäre vermessen. Das kleine Vario ist so minimalistisch, dass gar nicht viel zu beschreiben bleibt. Es ist klein und flach wie ein Schlüsselanhänger, besitzt nur einen Knopf und tut was es soll: Man kann es einschalten und damit fliegen gehen, in steigenden Luftmassen piept es, bei mehr als 2,5 m/s Sinken brummt es. Und das war's.

Positiv fällt auf, wie klein und leicht (23 Gramm) das daumenlange Gerätchen ist. Man muss mit keinen Einstellungen herumkämpfen. Das Vario erweist sich mit seiner Ansprache ab 0,3 m/s Steigen und 1,5 Sekunden Mittellungszeit als gut flugtauglich, wenn auch nicht hypersensibel. Und dank eingebauter Knopfzelle, die laut Herstellerangaben 250 Stunden Flugzeit durchhält, muss man sich um Batterien so gut wie keine Sorgen machen. Immer dabei, immer einsatzbereit. Passt an jeden Helm.

Auf der Minusseite bleibt festzuhalten: Tweety ist keine Schönheit, das Farbangebot ist etwas schrill (aber fällt dann auch im Gras liegend auf), das Gehäuse wirkt von Design und Verarbeitung her eher wie ein billiger China-Import. Der Anschaltknopf sitzt leider so, dass man beim Einpacken etwas aufpassen muss, ihn nicht aus Versehen zu betätigen.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist der hohe, quäkige Piezosound. Klirrfaktor garantiert. Wer das ruhige, angenehm voluminöse Huut-huut der großen Skytraxx-Varios kennt, wird hier jede Verwandschaft abstreiten wollen. Der Sound ist zudem auch nicht der lauteste und nicht weiter einstellbar. Vom Cockpit her dringt das Piepsen nur leise durch. Tweety ist für die Montage am Helm optimiert (Klett-Klebepads werden mitgeliefert).

Unterm Strich ist das Tweety wirklich nur ein simpelstes Vario. Wer daran denkt, ein Kleinvario ohne Bildschirm als Hauptgerät nutzen zu wollen, dem würde ich raten, lieber etwas mehr als die aktuell knapp 46 Euro für das Tweety in ein etwas wertigeres, besser konfigurierbares Konkurrenzprodukt zu investieren. (Das Marktangebot reicht - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - von Skybean, Syride Sys One, über Le BipBip bis hin zum ultrasensitiven XC Tracer mini).

Wer allerdings eine kleine, günstige, immer-dabei Backup-Lösung für technische Notfälle braucht (Akkus leer, großes Vario vergessen), wer Leichtgewichts-Fetischist ist und im Hike-and-Fly Tagesrucksack sämtliche Technik in der kleinen Seitentasche untergebracht wissen will, wer ein kleines Spontangeschenk für den Fliegerkumpel sucht (á la: "kann man immer mal brauchen"), oder wer wegen kleinem Budget nach der Ausbildung für die ersten Thermikflüge nicht gleich in ein "großes" Vario investieren will, der wird das Konzept des Tweety zu schätzen wissen.

Hinweis: Das Tweety wurde mir für den Test von Skytraxx freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Mitgliedschaft im DHV soll teurer werden

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Bei der DHV-Jahrestagung am kommenden Wochenende will der Vorstand über eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge um 13% abstimmen lassen. Sie würde 2018 wirksam.

Die letzte Beitragserhöhung des DHV liegt schon acht Jahre zurück. Seit 2008 sind die Beiträge unverändert geblieben. Gestiegene Kosten hat der Verband unter anderem über steigende Mitgliederzahlen sowie neuerdings aus Rücklagen gedeckt. Doch diese Rechnung geht offenbar nicht mehr auf. Der DHV-Vorstand hat für die Jahrestagung am kommenden Wochenende in Schwangau angekündigt, die Delegierten über eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrages abstimmen zu lassen.

Der Antrag des Vorstandes sieht vor, dass Mitglieder lokaler Vereine, die im DHV organisiert sind, ab 2018 einen Jahresbeitrag von 49 Euro zahlen sollen. Das wären sechs Euro mehr als bisher. Die Einzelmitgliedschaft (ohne Verein) soll künftig 78 statt heute 69 Euro kosten.

Das erste Mal tut auch nicht weh

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Lu-Glidz wächst und gedeiht, was Inhalte und Leserzahlen betrifft. Die Zahl der Förderer hinkt dieser Entwicklung hinterher. Wer startet die Trendwende?

Die Zahl der Leser und Klicks auf Lu-Glidz weist seit dem Start des Blogs vor zehn Jahren stetig nach oben. Allein seit Anfang 2015 sind die Werte um rund 50 Prozent gestiegen. Lu-Glidz zählt heute rund 100.000 Seitenaufrufe pro Monat. Zusätzlich gibt es 900 Abonnenten, die Lu-Glidz als Newsletter per Email beziehen und von der Blogger-Seitenstatistik nur bedingt mitgezählt werden. Die Tendenz bleibt in allen Punkten steigend.

Schaut man hingegen auf die Zahl der Förderer von Lu-Glidz, so hält diese mit der beschriebenen Entwicklung nicht Schritt. Zwar weist der Trend auch dort nach oben, doch der Anstieg ist weitaus flacher. Viele neue, aber auch viele jahrelange Leser sind noch zurückhaltend, wenn es darum geht, die Arbeit am Blog zu unterstützen.

Gehörst Du auch dazu? Du hättest die Möglichkeit, mit einem kleinen finanziellen Beitrag ein Zeichen dafür zu setzen, dass unabhängiger, werbefreier Journalismus mit Qualitätsanspruch in der Gleitschirmszene gewünscht ist und eine Zukunft hat.

Der Titel dieses Posts ist bewusst gewählt: Ich bin überzeugt, dass einem Gleitschirmflieger, der pro Jahr Hunderte wenn nicht gar Tausende Euro in sein Hobby investiert, ein kleiner Betrag von 5, 10, 20 oder vielleicht sogar 50 Euro als Förderung von Lu-Glidz als wichtigem Szene-Informationsmedium nicht weh tut. Im Gegenteil. Denn die Summe, die zusammen käme, wenn immer mehr Leser "ihr" Medium nach freien Stücken mitfinanzieren, würde allen in Form von gesteigerter Qualität und tieferen Recherchen zurückgezahlt.

Etliche Leser haben das schon verstanden. Manche sind als Förderer zu Wiederholungstätern geworden, wenige haben sogar kleine Daueraufträge eingerichtet, um ihre kontinuierliche Unterstützung zum Ausdruck zu bringen. Ihnen allen gilt dieser Post als Dank.

Alle anderen dürfen in diesen Zeilen ruhig die Anregung sehen, es einmal mit einer Erstspende zu versuchen. Es ist ganz einfach: Entweder per Paypal.me oder per Bank-Überweisung (pdf-Vorlage), Wunschbetrag angeben und "Förderbeitrag Lu-Glidz" als Kommentar vermerken, schon ist man drin in der unverbindlichen Förderer-Community. Keine Regeln, kein Zwang; nur ein gutes Gefühl und die Erkenntnis: Das erste Mal tut auch nicht weh!

Air Turquoise mit neuer Webseite

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Die Prüfstelle Air Turquoise von Alain Zoller hat ihre Webseite überarbeitet. Die Prüfreports von Schirmen, Rettungen und Gurtzeugen sind jetzt übersichtlicher zu finden.

Die übersichtliche Startseite von Para-Test.com // Quelle: Screenshot
Air Turquoise testet seit zehn Jahren nach der EN-Norm. Im eigenen Jubiläumsjahr hat die Prüfstelle ihrer Webseite Para-Test.com einen neuen Look verpasst. Die Nutzer profitieren vor allem von einer neuen Datenbank.

Die von Air Turquoise erstellten Prüfberichte stehen jetzt nicht mehr nur als lange Liste auf der Seite. Stattdessen gibt es eine Suchmaske, über die man durch Eingaben wie Herstellernamen, Schirmmodellbezeichung, Klassifizierungen etc. schnell die entsprechenden Reports finden kann.

Die Auswahl beschränkt sich freilich auf die von Air Turquoise getesteten Produkte.

Vom Für und Wider der Vielzeller

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Novas Phantom mit seinen 99 Zellen ist ein extremes Beispiel für den Trend, die Schirmleistung mit hohem technischen Aufwand steigern zu wollen. Doch machen viele Zellen immer Sinn? 
Der Prototyp eines von Hannes Papesh entworfenen Schirmes mit mehr als 80 Zellen. Laut Planung soll der Schirm
als EN-A zugelassen werden, aber die Leistung eines EN-C besitzen.  // Quelle: H. Papesh

Eins vorneweg: Dieser Text ist weder ein Testbericht über den Phantom, noch soll er ein Urteil über dessen Leistungsfähigkeit abgeben. Derlei Aussagen mögen andere Piloten nach vielen Flugstunden und Streckenkilometern liefern. Hier geht es darum, das Phänomen zu verstehen, für das der Phantom exemplarisch steht. Denn in den vergangenen Jahren ist zu beobachten, dass viele Gleitschirmhersteller ihre neueren Modelle mit mehr Zellen ausstatten als die Vorgänger. Irgend etwas muss es also bringen, die Zellenzahl der Schirme zu erhöhen. Oder ist es nur teure Kosmetik für das Ego der Piloten?

Die Entwicklung der Zellenzahl über die Modellreihen hinweg
bei einigen typischen EN-B-Schirmen.
Fragt man bei diversen Konstrukteuren nach, so ergibt sich ein einheitliches Meinungsbild: Ja, mehr Zellen pro Schirm können einen Leistungsgewinn bringen, müssen sie aber nicht unbedingt. Denn entscheidend sind – wie so oft im Gleitschirmbau – die kleinen Details.

Die Vorteile einer Zellvervielfachung liegen vor allem in einer höheren Profiltreue. Je mehr Zellen ein Schirm besitzt, desto weniger spielt das Ballooning, also das Aufwölben des Stoffes, eine Rolle. Die Konstruktion wird sich in der Luft stärker dem vom Konstrukteur eigentlich intendierten „Idealprofil“ annähern. Die zusätzlichen, von vielen Diagonalen abgespannten Rippen und die dichter stehenden Stäbchen in der Eintrittskante machen den Vielzeller-Flügel zudem etwas steifer. Turbulenzen bringen ihn weniger aus der Form. Die Bewegungsenergie der Luft wird dann zu einem größeren Anteil in Auf- und Vortrieb umgesetzt, anstatt in mechanischer Verformung des Schirmes nutzlos zu verpuffen.


Mehr Zellen – mehr Falten
Ein solcher Gleitschirm wird aber nicht zwangsläufig besser fliegen. Die Vervielfachung der Zellen bringt auch aerodynamische Nachteile mit sich. Am Rand der Zellen, dort wo das Ober- bzw. Untersegel an die Profile genäht wird, gibt es immer Falten. Je mehr Zellen ein Schirm besitzt, desto größer kann der Anteil dieser welligen Bereiche an der Gesamtfläche des Flügels sein. Das stört die Strömung und erhöht den Formwiderstand. Unterm Strich, so erklärt Luc Armant, Konstrukteur bei Ozone, könnte die Erhöhung der Zellenzahl eines Schirmes die Gleitleistung sogar verringern. Zumindest in ganz ruhiger Luft könnte das spürbar sein. Erst wenn es turbulenter zugeht, wird der Vielzeller die größere Steifigkeit der Kappe als Stärke ausspielen können.

Ein Konstrukteur muss also Vor- und Nachteile abwägen, wenn er die Zellenzahl eines Schirmes festlegt. Dabei stellt sich auch die Frage, welche Piloten-Zielgruppe er mit einem Schirm ansprechen will. Wenig erfahrene Flieger werden sich in der Regel unter einem gedämpfteren Flügel wohler fühlen, weil der Schirm viele Turbulenzen schluckt und nicht als Schläge nach unten weitergibt. Allein aus dieser Sicht heraus erscheint die versteifende Zellvervielfachung bei Schirmen niedrigerer Klassen wie EN-A oder EN-B nicht als allgemein opportun. Zumal die vielen Zellen auch noch weitere Nachteile mit sich bringen.

Zum einen ist da die Frage der Leinenabspannung. Die Extra-Zellen müssen ja irgendwie gehalten werden. Um dafür nicht mehr Leinen einsetzen zu müssen, die entsprechend mehr Widerstand erzeugen, bleibt den Konstrukteuren keine andere Wahl, als das Innenleben der Schirme komplexer zu gestalten. Da werden Diagonalen eingezogen, die von einem Leinenansatzpunkt aus nicht nur die nächste, sondern auch noch die übernächste Rippe tragen. Drei-, Vier- und sogar Fünfzell-Überspannungen sind so möglich. Die langen Stofffinger im Inneren bedeuten freilich einen nicht zu unterschätzenden Aufschlag an verbautem Material.


Das komplizierte Innenleben eines Nova Phantom.
Schmale, streifenförmige Diagonalen reichen durch
stark ausgeschnittenen Rippen hindurch, um mehr Zellen
zwischen den Aufhängepunkten abzuspannen.
// Quelle: Nova
Zwang zum Leichtbau
Nimmt man noch die vielen zusätzlichen Rippen hinzu, kommt schon einiges an Mehrgewicht zusammen. Eine Kappe, die sieben Kilogramm auf die Waage bringt, ist heute aber nicht mehr zeitgemäß, zumal die zusätzliche Masse auch die Schirmreaktionen bei Klappern verschärft. Die Konstrukteure sind deshalb umso mehr zum Leichtbau gezwungen, je mehr Zellen sie einem Schirm verpassen wollen: Leichte Stoffe; stark ausgeschnittene Rippen und Diagonalen; selbst die Nahtzugaben am Rand der Stoffbahnen werden auf ein Minimum reduziert.

Bei ordentlicher Planung muss die Festigkeit darunter nicht leiden. Aber all das wirkt sich vor allem auf eines aus: Material- wie Herstellungsaufwand steigen und damit auch der Preis – und zwar sowohl absolut wie relativ betrachtet. „Absolut“ meint den Stückpreis eines Schirmes, und „relativ“ die für diesen Wert erhaltene Flugleistung. Eins sollte klar sein: Ein doppelt so teurer Leichtbauschirm mit der doppelten Anzahl von Zellen wird weder doppelt so gut fliegen noch doppelt so lange halten.

„Die Kunst beim Gleitschirmbau ist, mit möglichst wenig Material, Kosten und Aufwand den besten Kompromiss zwischen Leistung, Sicherheit, Gewicht und Ästhetik zu erreichen“, sagt Michael Nesler, der für Swing Schirme konstruiert. Seiner Meinung nach bringt es in puncto Leistung kaum noch etwas, bei einem Schirm mit den im EN-B-Bereich üblichen Spannweiten die Zahl der Zellen deutlich über 50 zu steigern.


Premiumsegment als Ziel
Nova setzt beim Phantom freilich auf eine andere Philosophie. „Im Pflichtenheft des Phantom stand, dass die Fertigungskosten keine Rolle spielen sollen“, sagt Konstrukteur Philipp Medicus. „Anstoß für die Realisierung war die Neugierde, was denn in dieser Streckungsklasse möglich ist, wenn man die technologischen Möglichkeiten ausreizt.“ Herausgekommen ist ein EN-B-Schirm mit 99 Zellen und einem Listenpreis von 6450 Euro (siehe auch das Lu-Glidz Interview mit Philipp Medicus: Interna von einem Phantom).

Hinter diesem Ansatz steht freilich noch eine andere Überlegung: Lässt sich im Gleitschirmmarkt ein Premiumsegment etablieren? „Mir fallen keine vergleichbaren Produkte ein, bei denen verschiedene Preissegmente nicht völlig selbstverständlich sind“, sagt Philipp Medicus. „Man kann sich zum Beispiel ein Rennrad um 1000, um 4000 oder um 8000 Euro kaufen. Die bisherige Gleitschirmwelt ist da die absolute Ausnahme. Ich vermute aber, dass sich das nachhaltig ändern wird.“

Triple Seven experimentiert bereits mit Wettkampf-
Schirmen, die 150 Zellen besitzen.
Das Foto zeigt einen Prototypen.
// Quelle: Paraglidingforum, Dean Lozei
Es geht also nicht nur um Leistung. Es geht auch um Exklusivität, es geht um Image. Und es gibt sicher eine Pilotenklientel, die das nötige Kleingeld hat und bereit ist, es auch für solche Schirme auszugeben.

Interessant wird die Frage, wie andere Marken auf den Vorstoß Novas reagieren. Werden sie mit eigenen vielzelligen Premium-Schirmen in den unteren EN-Klassen nachziehen?

„Wir schließen das nicht aus, wenn wir einen ausreichend großen Markt für derlei Schirme sehen“, sagt Luc Armant von Ozone. Hannes Papesh, Designer für Advance, wirkt da sogar schon entschiedener. „Ich bin da seit Monaten dran“, sagt er. Ende des vergangenen Jahres, also noch weit vor der Präsentation des Phantom durch Nova, waren in Monaco Prototypen eines von Papesh als EN-A konzipierten Schirmes mit mehr als 80 Zellen zu sehen. Als Schulungsmodell ist er freilich nicht gedacht. Der Schirm soll dem Piloten Leistung und Handling eines C- mit dem Sicherheitsniveau eines A-Schirmes bieten. Ob und wann so ein Modell auf den Markt kommt, ist derzeit nicht bekannt.


Sind Vielzeller unökologisch?
Eine Frage, die angesichts der technischen Faszination von Schirmen mit vielen Zellen erst einmal wenig bedacht wird, dürfte in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Wie nachhaltig sind solche Konstruktionen? Bei einem so komplex aufgebauten 99-Zeller wie dem Phantom mit seinen über 3000 Einzelteilen fällt zwangsläufig enorm viel Verschnitt des Stoffes an, sprich: Abfall.

„Der Phantom dürfte aktuell der unökologischste Single-Gleitschirm der Welt sein“, unkt Bruce Goldsmith, Chef von Bruce Goldsmith Design. Das Konzept, einen Schirm mit extrem vielen Zellen auszustatten, sei für ihn das gleiche wie wenn man ein Auto mit fünf statt zwei Litern Hubraum baut. Es sei die einfachste Möglichkeit die Leistung zu steigern. „Wenn man aber einen kleinen Motor einsetzt, ist das ökologischer, ökonomischer und am Ende der bessere Weg“, so Goldsmith. Einen Gleitschirm mit besonders vielen Zellen müsse man nicht zwangsläufig als Fortschritt betrachten.

Werden das auch die Piloten so sehen? Oder könnte der Phantom gar Begehrlichkeiten wecken, künftig auch bei Schirmen der Brot- und Butterklasse weiter an der Zellenschraube zu drehen? „Mehr Zellen einzubauen ist einfach“, sagt Michael Nesler. Wenn der Markt das so wolle, würden die Hersteller sicher liefern.


Gehört Downsizing die Zukunft?
Dass die Zellvermehrung bei den Schirmen sich tatsächlich in der Breite fortsetzt, ist allerdings nicht unbedingt zu erwarten. Dem steht vor allem das Kostenargument entgegen. Schon jetzt bekommen die Hersteller zu spüren, dass viele Piloten nur eingeschränkt bereit sind, die mit den komplexeren Konstruktionen und teureren Leichtmaterialien verbundenen Mehrkosten von Neu-Schirmen voll zu tragen. Die Gewinnmargen sinken.

Zwingen steigende Produktionskosten in Asien die Hersteller künftig dazu,
Schirme mit geringerem Nähaufwand zu bauen? Das Foto zeigt die
Advance-Produktion in Vietnam // Foto: Q. Mattingly, Advance
In Zukunft dürfte sich diese Situation noch verschärfen. Denn in Asien, wo die meisten Schirme genäht werden, steigt seit Jahren das Lohnniveau, und zwar schneller als in Europa. Noch ist die Produktion in Asien deutlich günstiger, doch in den kommenden Jahren wird sich diese Kostenschere weiter schließen.

„Ein Pilot aus der Mittelklasse wird sich kaum alle zwei Jahre einen so komplexen Schirm wie einen Enzo 2 oder einen Phantom leisten können, wenn dieser zu westlichen Arbeitskosten produziert wird“, sagt Luc Armant. Allerdings sei das Gleitschirmfliegen schon heute kein Hobby für die Massen. Vielleicht werde es in Zukunft noch mehr zu einem Elite-Sport.

Schirme wie der Phantom könnten zu Kristallisationspunkten einer solchen Entwicklung werden. Vielleicht stellen sie aber auch nur die extremen Auswüchse vor einem Wendepunkt dar. So wie im Design moderner Automotoren heute das Downsizing, die Verkleinerung des Hubraums bei gleicher Leistung, im Fokus steht, könnte auch im Gleitschirmbau dem Prinzip der Reduzierung die Zukunft gehören. Dafür wären freilich auch neue konstruktive Lösungen gefragt, um mit weniger Zellen und bestenfalls ganz ohne Ballooning und Faltenwurf der Segelflächen auszukommen, um dann keine Abstriche bei der Leistung machen zu müssen.


Hinweis: Dieser Text ist kürzlich im DHV-Info (Nr. 202, S. 50ff.) erschienen. Dies ist eine für Lu-Glidz leicht aktualisierte Fassung. Sollte Dir die Lektüre gefallen haben, kannst Du Lu-Glidz für weitere derartige Recherchen als Förderer unterstützen.

Der DHV hat über 38.000 Mitglieder

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Der Verband wächst weiter, braucht aber auch mehr Geld. Bei der DHV-Jahrestagung haben die Delegierten einer Erhöhung der Mitgliedsbeiträge zugestimmt.  

Diskussionen gab es kaum und Gegenstimmen nur wenige, als bei der DHV-Jahrestagung am Samstag in Schwangau über die Beitragserhöhung abgestimmt wurde. Die meisten Delegierten zeigten Verständnis für den Antrag des Vorstandes, dass nach acht Jahren mit fixem Beitrag ein Aufschlag nötig würde, um die Handlungsfähigkeit des DHV ohne Sparzwang zu erhalten.

So werden Mitglieder lokaler Vereine, die im DHV organisiert sind, ab 2018 einen Jahresbeitrag von 49 Euro zahlen müssen, sechs Euro mehr als bisher. Eine Einzelmitgliedschaft (ohne Verein) im DHV kostet künftig 78 statt heute 69 Euro.

Allgemein verlief die Jahreshauptversammlung harmonisch, weitgehend sogar ohne Diskussionen. Der neue Vorstand ist auf allen Positionen der alte geblieben (zur Wiederwahl standen Finanzvorstand Dirk Aue, Sicherheits- und Geländevorstand Roland Börschel und Ausbildungsvorstand Peter Cröniger).

Noch-DHV-Geschäftsführer Klaus Tänzler bekam Dankesworte und Standing Ovations, sein designierter Nachfolger Robin Frieß stellte sich mit einer freien Rede und drei Wünschen vor:
1. möglichst wenig Unfälle,
2. weiter steigende Mitgliederzahl, und
3. gute Zusammenarbeit mit Vorstand, Mitgliedern, Vereinen, aber auch den Herstellern.

Zumindest in puncto Mitgliederzahlen verkündete Klaus Tänzler noch einen neuen Rekord. Der DHV zählt aktuell 38.022 Mitglieder.

Ein etwas ausführlicherer Bericht der Jahrestagung ist auf der DHV-Homepage zu finden.

Seit wann ist der Patscherkofel im Zillertal?

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"Fluggebiete Europa" heißt ein neuer Führer, den auch der DHV in seinem Shop anbietet. Leider strotzt das Kartenmaterial vor Fehlern und ist vielerorts unbrauchbar.

Dieser Fluggebiete-Führer ist in weiten Teilen das Papier nicht wert,
auf dem er gedruckt ist. // Quelle: Cloudbase
Es macht keinen Spaß, einen Verriss über ein Produkt zu schreiben, von dem man weiß, das andere Menschen viel Zeit und Herzblut hinein gesteckt haben. Doch das neue Buch "Fluggebiete Europa" der Cloudbase Travel&Media UG lässt mir keine andere Wahl.

In den Karten sind viele Fluggebiete so deplatziert eingezeichnet, dass dieser Führer seine Nutzer vielerorts zu völlig falschen Zielen leitet. Tatsächlich bleibt nur die Empfehlung an den Verlag: Nehmt diese Auflage vom Markt, macht den Kartenteil in korrekter Fassung neu, und bringt dann eine nutzbare 2. Auflage heraus. Aktuell sind die 39,80 €, die das Buch kostet, für die Nutzer eine Fehlinvestition.

"Das ist aber harter Tobak", mögen manche Lu-Glidz-Leser denken. Nur: Wenn man - erst aus Neugier, dann aus wachsendem Entsetzen heraus - stichprobenartig ein bekanntes Fluggebiet nach dem anderen in den Karten überprüft, und in mehr als 90 Prozent der Fälle diese an völlig falschen Positionen wiederfindet, so ist halt irgendwann der Punkt erreicht, an dem man denkt: Einzelne Fehler könnte man ja verzeihen, aber wenn der Fehlerteufel geradezu tief im System steckt, gilt es so etwas zu benennen.

Hier nur ein paar Beispiele (die Fluggebietskennungen sind dem Buch entnommen):
  • AT138 "Patscherkofel" ist auf den Karten ins Zillertal gerutscht.
  • IT170 "Monte Baldo" ist nicht bei Malcesine, sondern auf der anderen Seite des Gardasees eingetragen.
  • IT 159 "Antenne Costalunga" ist nicht bei Bassano, sondern jenseits des Brentatales verortet.
  • DE313 "Küppchen/Lasserg" residiert nicht an der Mosel, sondern am Rhein.
  • DE492 "Schriesheim/Ölberg" prangt mitten in Heidelberg.
  • DE923 "Tegelberg" erscheint im Flachland nördlich des Bannwaldsees.
  • AT114 "Schmittenhöhe" ist am Pass Thurn zu finden.
  • CH34 "Säntis" sitzt mitten im Appenzeller Hügelland.
  • FR176 "Le Treh" findet man mehr als 10 km nördlich seines eigentlichen Standortes.
Undsoweiter, undsofort. Fast wirkt es so, als hätten die Mitarbeiter, die die Startplatzfähnchen in die Karten setzten, im Grafikprogramm Dart gespielt.

Nun ist sicher nicht alles schlecht und falsch in diesem Buch. Das lange Register der Startplätze weist wirklich sehr viele Einträge aus 45 Ländern auf (angeblich mehr als 10.500). Und die GPS-Koordinaten, die dort im Textteil angegeben sind, scheinen auch eher zu stimmen (soweit meine Stichproben zeigten). Wirklich nutzbar wird die Liste aber nur in Kombination mit dem Kartenteil. Und der ist leider völlig verkorkst.

Warum der Verlag bei seinem Fluggebieteführer die Qualitätskontrolle so sträflich außer Acht gelassen hat, muss er sich nun selber fragen. Leider ist das Ergebnis ein Witz, über den man nicht einmal lachen kann.

Hinweis: Nach meinen Stichproben sind die massiven Fehler vor allem im Kartenteil Zentraleuropas und der Alpen mit dem Maßstab 1:750.000 zu finden. Bei einer nur groben Überprüfung einiger Startplätze in Spanien und Italien (Maßstab 1:1.500.000) waren diese weitgehend korrekt platziert. Ob das auch für den Rest Europas gilt, mögen andere herausfinden. Mein Vertrauen in dieses Buch ist tief genug erschüttert, als dass ich mich weiter damit beschäftigen wollte.

Fluggebiete Europa
Taschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Cloudbase; Auflage: 1 (11. November 2016)
Sprache: Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch
ISBN-10: 3981837401
ISBN-13: 978-3981837407
Preis: 39,80 €

Nachtrag: Als Reaktion auf diesen Beitrag erhielt Lu-Glidz bereits eine Email von Seiten des DHV. Darin heißt es: "Der Herausgeber des Buches „Fluggebiete Europa“ hat uns informiert, dass in der jetzigen Auflage durch einen Fehler der Druckerei falsche Angaben zu Fluggebieten gemacht werden. Der DHV hat deshalb ab sofort den Vertrieb eingestellt, Vorbestellungen sind weiterhin möglich. Eine zweite korrigierte Auflage wird bei Erscheinen in Kürze wieder über den DHV-Shop zu beziehen sein."

Fehlerhafter Flugführer wird korrigiert

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Der DHV hat den Vertrieb der fehlerhaften 1. Auflage des Führers "Fluggebiete Europa" eingestellt. Für eine korrigierte zweite Fassung sind schon Vorbestellungen möglich. 

Der Führer "Fluggebiete Europa" ist so fehlerhaft, dass
die erste Auflage nicht weiter vertrieben wird. Demnächst
soll ein zweite, korrigierte Auflage erscheinen.
Als Reaktion auf den Beitrag "Seit wann ist der Patscherkofel im Zillertal?" hat Lu-Glidz von Seiten des DHV folgende Email erhalten:

"Der Herausgeber des Buches „Fluggebiete Europa“ hat uns informiert, dass in der jetzigen Auflage durch einen Fehler der Druckerei falsche Angaben zu Fluggebieten gemacht werden. Der DHV hat deshalb ab sofort den Vertrieb eingestellt, Vorbestellungen sind weiterhin möglich. Eine zweite korrigierte Auflage wird bei Erscheinen in Kürze wieder über den DHV-Shop zu beziehen sein."


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